Literatur

08.04. | Buch der Woche

Alexander von Schönburg • Der grüne Hedonist

Piper

Protzen ist démodé

Alexander von Schönburgs Konzept der hedonistischen Nachhaltigkeit setzt auf Weltrettung in style statt auf Angst und Verbote. Vintage-Smoking an und ab in den Urban Garden!

Wer die Welt ändern will, muss eine Vorstellung vom Schönen und Guten haben und das Abschreckende nicht scheuen. Ein Blick in die antike Dichtung kann da nicht schaden. In Petrons "Satyricon" gibt der ehemalige Sklave Trimalchio ein Gastmahl, das als Symbol für dekadente Prasserei in die Geschichte einging. Ein Keiler mit Ferkeln aus Knusperteig wird aufgetischt, das Wildschwein tranchiert und aus dem Bauch flattern lebende Drosseln!

Für Alexander von Schönburg könnte die Lektüre des "Satyricon" als Primaner ein Erweckungserlebnis gewesen sein, denn nichts verabscheut er mehr als hemmungslose Dekadenz. Als Arbiter Elegantiarum sieht er sich in der Verantwortung, die Welt aktiv mitzuretten und last but not least vor schlechtem Geschmack zu bewahren. Seine Position ist klar: Angst und Selbsthass sind keine geeigneten Mittel, um die Menschheit vor einem ökologischen Desaster zu bewahren. Greta Thunbergs Angstbotschaften setzt er Elon Musks Credo entgegen, dass grüner Lifestyle attraktiv sein muss. Von Schönburg rümpft die Nase über neureichen Bling-Bling, macht sich aber die Erkenntnis zunutze, dass es immer Eliten gibt, die von weniger Privilegierten nachgeahmt werden. Snobismus hat für ihn eine erzieherische Funktion, sofern er mit Selbstzügelung verbunden ist. Das klingt zunächst arrogant, doch erweist sich von Schönburgs Ansatz als wegweisender als so manch hypermoralischer Anspruch, der nicht selten eine Verachtung des naiv konsumierenden einfachen Volkes impliziert. Obwohl sich der Autor bescheiden auf seinen Mikrokosmos beschränkt, liegt ihm der blaue Planet sehr am Herzen. Ganz en passant, im abgewetzten Samt-Smoking des ungarischen Onkels galoppiert er über die Steppe der Verzichtsutopien und lässt die Predigerinnen und Prediger des Degrowth alt aussehen. Offsetting, Ablasszahlungen für Flugmeilen, Virtue Signalling, zur Schau getragene Tugendhaftigkeit und Self-Licensing, moralische Selbstbilligung sind Begriffe, die der Autor mit der Rosenschere ziseliert, bis nur noch pharisäerhafte Dornen übrigbleiben. Die Doppelbödigkeit der Bourgeoisie ist nicht selten grün getüncht.

Bei aller Koketterie mit Snobismus übt sich von Schönburg aber auch in Selbstkritik. Von seinem Bauernbrot mit Schnittlauch und Salz lässt er sich die Butter nicht nehmen, auch wenn diese "eine noch schlechtere Klimabilanz als Rindfleisch aufweist". Aller Selbstzügelung voraus geht Epikurs Gedanke, dass der Mensch immer nach Zufriedenheit und Glück strebt, nicht nach Selbstkasteiung oder Selbstauslöschung. Mit im Tross auf seinem legendären Ritt in eine ökologisch-lustvolle Zukunft hat Alexander von Schönburg visionäre Gefährten wie Nicolas Hayek, der bereits in den Achtzigern "shared mobility" propagierte und Michael Braungart, der mit "Cradle to Cradle" ein revolutionäres Prinzip in den Umweltschutz einführte. C2C bedeutet, Abfall nicht zu reduzieren, sondern zu eliminieren.

"Der grüne Hedonist" ist so stimmig und reizvoll geschrieben, dass man autoritären Pietismus mit Handkuss gegen das ökologische Lustprinzip eintauscht. Ganz ohne moralischen Fußabdruck.

Ute Cohen