Musik

08.04. | Album der Woche

Selah Sue • Persona

Because/Universal

Facetten eines Monologs

Auf „Persona“ stellt uns Selah Sue Song für Song ihre verschiedenen Persönlichkeiten vor. Eine intensive Reise für alle Seiten – mit großer Wirkung.

Vor fünf Jahren schlug Sanne Greet A. Putseys‘ – so der bürgerliche Name Selah Sues – Therapeutin eine besondere Maßnahme vor: Klarheit durch den bewussten Monolog. Dabei geht es vor allem darum, sich selbst und die eigene Persönlichkeit in ihren unterschiedlichsten Facetten zu entdecken und lieben zu lernen. Wie kann man sich eine solche Auseinandersetzung vorstellen? „Ich hatte zum Beispiel immer eine sehr laute, kritische Stimme in mir. Die war natürlich männlich“, erklärt Sue lachend. „Wenn ich aber zu selbstkritisch werde, überlasse ich bewusst anderen Stimmen die Bühne, zum Beispiel meiner selbstbewussten weiblichen Seite,“ fährt sie mit einer ansteckenden Begeisterung in der Stimme fort. Ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstbestimmung aus dem Inneren heraus also. Diese Erfahrungen geben nun auch den Ton auf der neuen Platte vor – jeder einzelne Song ist einer bestimmten Facette, einer bestimmten „Persona“ der Musikerin gewidmet. Mit einer Ausnahme: „Das Herzstück des Albums ist auf jeden Fall ‚Try To Make Friends‘, wo ich all diese verschiedenen Perspektiven aufeinandertreffen lasse.“ Einfach sei diese Kommunikation definitiv nicht gewesen, gesteht Sue. Aber dafür am Ende eben umso wirksamer. Auch die gesellschaftskritische Seite der Belgierin drängt nun vermehrt ins Rampenlicht: „Songs wie ‚Karma‘ zeigen meine aktivistische Persona, zum Beispiel in Bezug auf Trump als Präsidenten oder auf die schwache Haltung gegen den Klimawandel in Belgien. Doch auch hier produziere ich keine Slogans für die Barrikaden, sondern singe aus meiner eigenen Perspektive heraus.“ Introspektive Heilung für die großen Kämpfe der Gesellschaft – genau diese Momente teilt sie bei Konzerten besonders gerne mit ihren Fans, berichtet die Künstlerin mit großer Vorfreude auf die Tour. Dort werden die Songs dann auch eine gänzlich neue Gestalt annehmen, könnte der Entstehungsprozess des Albums doch nicht weiter vom Konzertleben entfernt sein: „Meine zweite Platte entstand ja in den USA, jetzt habe ich aber alles zu Hause mit meinem Mann aufgenommen. Das war eine sehr entspannte Zeit mit einem Extra an Wohlfühlatmosphäre. Pünktlich um 18 Uhr haben wir immer aufgehört, weil dann die Kinder zurückkamen.“ Eine Widmung für diese darf natürlich auch nicht fehlen – „aber ich bin froh, dass ich nur in einem Song wirklich in meiner Mutterrolle auftrete. Ich bin schließlich auch für meine Kinder so viel mehr als das.“

Selah Sue
Persona

Because/Universal, 25. März

„Persona“ macht seinem Namen alle Ehre und ist musikalisch wie textlich genauso vielseitig wie eine menschliche Person. Da gibt es mal lässige Hip-Hop-Vibes über Antidepressiva („Pills“), dann dahinschmelzenden Soul („All The Way Down“) oder auch gleichermaßen sphärischen wie pulsierenden R’n‘B („Celebrate“). All das macht Selah Sues drittes Album zu einem bewegenden Trip durch den Kopf einer bemerkenswerten Musikerin, bei dem alle Schattierungen von frohlockend bis düster unter die Haut gehen.


Foto: Zazzo

Julia Köhler