Literatur

06.12. | Sachbuch der Woche

Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann

Naomi Klein

Die kanadische Aktivistin Naomi Klein schlägt in ihrem jüngsten Buch einen "Green New Deal" der Umwelt- und Sozialmaßnahmen vor, um den Planeten vor dem Kollaps zu retten.

Vor einigen Wochen hat der amerikanische Bestseller-Autor Jonathan Franzen ("Die Korrekturen") seine Landsleute mit einem apokalyptischen Essay zur Klimakrise im Magazin New Yorker verschreckt. "What If We Stopped Pretending?", lautete die Überschrift, wie wär’s, wenn wir aufhören würden, uns was vorzumachen? Franzen rät im Grunde dazu, sich mit der unausweichlichen Katastrophe anzufreunden und das Prinzip Hoffnung neu zu denken – die Erderwärmung auf nur zwei Grad drosseln zu können, sei völlig illusorisch. Natürlich können solche desasterphilosophischen Überlegungen auch leicht in den Fatalismus führen, und sonderlich inspirierende Zukunftsentwürfe lassen sich daraus auch nicht ableiten. Da ist das Buch "Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann" schon von anderem Kaliber.

Der Rezensent der New York Times schrieb nach Erscheinen, wenn er ein reicher Mann wäre, dann würde er persönlich jedem der 245 Millionen amerikanischen Wahlberechtigten ein Exemplar in die Hand drücken. Könnte nicht schaden. Wobei auch Kleins Ausführungen eine durchaus unbequeme Lektüre sind. In einer Vielzahl von Essays durchleuchtet die kanadische Journalistin und Aktivistin – berühmt geworden als scharfsichtige Kapitalismuskritikerin mit ihrem Buch "No Logo" – die Schieflagen. Eben nicht als Ansammlung von Fakten und Statistiken, von denen sich ja noch nie ein Klimawandelleugner hat beeindrucken lassen, sondern immer wieder aus radikal persönlicher Perspektive. Zu den stärksten Kapiteln zählt "Der Sommer der Brände", die Beschreibung eines lang ersehnten Urlaubs mit der Familie in British Columbia, wo sich 2017 jedoch der Rauch ungezählter Wald- und Buschbrände über das Land gelegt hat und für eine gespenstische Atmosphäre sorgt. Die Vögel verstummen, Naomi Klein schluckt Antihistamine wie Smarties. Es kursieren auch Berichte über Landarbeiter, die zusammengebrochen sind und deswegen einfach nach Hause zurückgeschickt wurden wie defekte Ware, nach Mexiko oder Guatemala. Das Soziale und die Umwelt, Ökologie und Ökonomie werden bei Klein notwendigerweise zusammengedacht.

Wo das gesellschaftliche Klima vergiftet ist und die Gräben sich vertiefen, da muss die Diskussion über die globale Krise ansetzen. Klein macht das auch in ihrem Einstiegs-Essay "Wir sind der Flächenbrand « beklemmend deutlich. Etwa dort, wo sie die Attentäter von Utoya und Christchurch auch als Ökofaschisten ausweist. Breivik forderte in seinem irren Manifest unter anderem: "Stoppt den Umwelt-Kommunismus". Klimaschutz sei nichts anderes als "die neue Umverteilung von Wohlstand". Eben solchem Denken setzt die Autorin ihren "Green New Deal" entgegen, der auf den "New Deal" des Präsidenten Franklin D. Roosevelt mit seinen wegweisenden Maßnahmen zur sozialen Sicherung in den 30er-Jahren zurückgeht. Ja, die westlichen Gesellschaften müssten in vielen Bereichen umdenken: Verteilungsgerechtigkeit statt Profitgier, bewusster Konsum statt Verschwendungsorgien. Das wird nicht ohne starken Gegenwind möglich sein. Aber dem hat Roosevelt auch getrotzt.

Patrick Wildermann