Musik
06.09. | Album der Woche
David Gilmour • Luck And Strange
Sony MusicFoto: Anton Corbijn
51 Prozent Hoffnung
David Gilmour, der einstige Co-Chef von Pink Floyd hat ein herrliches neues Album aufgenommen, das ihm selbst die Tränen in die Augen treibt.
Vor Kurzem hat David Gilmour zum ersten Mal in seinem Leben auf der Astoria übernachtet. Das beeindruckend große (das Oberdeck bietet angeblich Platz für ein 90-Personen- Orchester) und nur auf den ersten Blick museal wirkende Hausboot, das rund vierzig Zugmi- nuten von Londons Zentrum entfernt in einer malerischen Ecke auf der Themse liegt, war Schauplatz der Abschlussparty für »Luck and Strange«, Gilmours fünftes Solostudioalbum und das erste seit neun Jahren. »Wir haben ein paar Gläschen mehr als üblich getrunken«, räumt der 78 Jahre alte Gitarrist und Sänger mit einem Schmunzeln ein. »Niemand hätte mehr fahren können.« Und so habe er sich zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Polly Samson, die auch für »Luck And Strange« wieder den Löwenanteil der Songtexte geschrieben hat, in das für einen eher stattlich gebauten Mann wie Gilmour doch recht klein wirkende Doppelbett gekauert, und sei »glücklich eingeschlafen wie ein Baby«. David Gilmour, das wird sehr schnell deutlich bei unserem Gespräch, das ebenfalls an Bord jener Astoria stattfindet, die 1911 erbaut wurde und einst dem Theaterchef und Charlie-Chaplin- Manager Fred Karno gehörte, ist sehr stolz auf sein neues Album. »Als ich heute Morgen von unserem Haus, das eine gute halbe Stunde entfernt liegt, hierher fuhr, habe ich es mir noch einmal angehört. Und ganz ehrlich, bei ›Scatte- red‹ kamen mir ein paar Tränen.« Der vorletzte Song ist ein echtes Monumentalwerk, das quasi mit gleich drei großartigen Gilmour-Gitarrensoli punktet und ein wenig an »High Hopes« vom 1994er Pink-Floyd-Album »The Division Bell« erinnert, das – im Gegensatz zu »Luck And Strange« – von Gilmour, Keyboarder Rich Wright und Schlagzeuger Nick Mason im klei- nen Tonstudio auf der Astoria aufgenommen wurde. Inhaltlich geht es in »Scattered«, wie auch im Titelsong oder dem wunderschönen »A Single Spark« um die großen Fragen des Lebens, vor allem ums Älterwerden und ums eigene Vermächtnis. »Ich möchte als ein guter Mensch in Erinnerung bleiben«, sagt David Gilmour, »Nächstenliebe, Gleichberechtigung, die Zukunft unserer Erde – diese Dinge sind mir sehr wichtig.« Der Musiker hat acht Kinder, je vier aus zwei Ehen, und eine wachsende Anzahl von Enkeln. Und so wie die meisten macht er sich Sorgen. »Ich möchte mich nicht als Hippie bezeichnen, aber ich teile viele ihrer Werte. Ein Gauner wie Donald Trump oder ein Monster wie Putin machen mir durchaus Angst. Aber an den allermeisten Tagen habe ich 51 Prozent Hoffnung.«
David Gilmour Luck And Strange Sony Music • 06. September
Der Kontrast könnte kaum größer sein. Während Ex-Kollege Roger Waters sich in seinen antisemitischen, pro-russischen und menschenfeindlichen Ansichten verliert, konzentriert sich David Gilmour lieber darauf, ein Spätwerk mit viel Substanz und bleibendem Wert zu schaffen. Der Produzent Charlie Andrew (alt-j, Marika Hackman) sei ihm im Studio mit erfreulich wenig Ehrfurcht begegnet. Auch einige von David Gilmours Kindern sind auf dem Album vertreten, allen voran Tochter Romany, die im wehmütigen »Between Two Points« den Gesang übernommen hat.
Steffen Rüth