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06.04. | Kinostart der Woche

Die Kairo-Verschwörung

06.04. | Kinostart der Woche - Die Kairo-Verschwörung

Foto: X-Verleih AG


Zwischen Staat und Kirche

Der schwedische Regisseur Tarik Saleh, Sohn eines Ägypters und einer Schwedin, dreht nicht nur immer wieder in den USA (»The Contractor«), sondern kehrt besonders gerne mit politischen Thrillern zu seinen Wurzeln zurück und setzt sich dabei auch mit dem Islam auseinander. Sein neues Werk »Die Kairo-Verschwörung« ist dafür ein besonders gelungenes Beispiel.

Tarik Saleh, »Die Kairo-Verschwörung« ist eine Art Spionage-Thriller und die Handlung fiktiv. Die Al-Azhar Universität, in der sie spielt, gibt es allerdings wirklich. Was war der Auslöser für Ihre Geschichte?

Mein Großvater hat an dieser Universität studiert, deren Großimam so etwas wie das Pendant zum Papst im sunnitischen Islam ist. Ähnlich wie mein Protagonist im Film ist auch er aus einem kleinen Dorf in der Provinz an diese Universität gekommen, als erster seiner Familie. Das war sozusagen die private Inspiration. Die Geschichte selbst kam mir in den Sinn, als ich vor einer Weile mal wieder Umberto Ecos »Der Name der Rose« las und mich fragte, ob es mir wohl gelingen könnte, eine ähnliche Geschichte im muslimischen Kontext zu erzählen. Und wie wohl die Reaktionen darauf wären, also, ob man mir das übel nehmen würde.

Wie waren denn die Reaktionen?

In Ägypten, der Heimat meines Vaters und immer auch irgendwie meine eigene, hat man gefeiert, dass ich in Cannes den Drehbuchpreis bekommen habe. Gleichzeitig wurde der Film angegriffen und behauptet, ich würde nicht die Realität abbilden. Dabei habe ich ja nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Geschichte Fiktion ist. So wie die Spionage-Romane von meinem großen Vorbild John Le Carré auch fiktiv sind. Nicht umsonst zeige ich die Al-Azhar Universität so, wie sie in den 1950er Jahren war. Und der Staatssicherheitsapparat im Film ist eine Mischung aus den Zuständen unter Husni Mubarak und heute. Aber ich war nicht überrascht, dass sofort auf Distanz gegangen wurde.

Und im Ausland?

Ausgerechnet die US-amerikanischen Reaktionen waren erstaunlich verhalten. In Cannes wurde mir häufig berichtet, dass die Einkäufer Berührungsängste hätten, weil ihnen der Film zu politisch und kontrovers sei. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, einen politischen Film zu drehen, aber vermutlich ist eben doch jeder Film politisch. Auch in diesem Fall hätte ich wohl nicht überrascht sein sollen. An einer Geschichte wie dieser reibt man sich im Westen beziehungsweise in nicht-muslimischen Kulturkreisen fast automatisch.

Wie meinen Sie das?
Wenn im Zentrum der Geschichte ein gläubiger Muslim steht, der einfach nur versucht, das Richtige zu tun, dann ist das irritierend für westliche Augen, weil sie darauf gepolt sind, den Islam als Gefahr zu sehen. Aber seit ich meine eigenen Drehbücher schreibe, spätestens seit »Die Nile Hilton Affäre«, nehme ich mir die Freiheit, genau darauf zu pfeifen und einfach zu ignorieren, dass das Publikum im Westen einer Art Gehirnwäsche unterzogen wurde. Man ist es nicht gewohnt, Figuren aus der arabischen Welt als komplexe, facettenreiche und glaubwürdige Personen voller Menschlichkeit zu sehen. Deswegen will ich genau das zeigen.

Apropos Glaubwürdigkeit: War es schwierig für Sie, dass Sie nicht vor Ort in Ägypten drehen konnten?

Ich wusste das ja von Anfang an, weil ich damals kurz vor Drehbeginn zu »Die Nile Hilton Affäre« ausreisen musste und seither auf einer Liste unerwünschter Personen stehe, die bei Einreise sofort verhaftet werden. Also haben wir in der Türkei gedreht, wo uns in Istanbul die Süleymaniye-Moschee als Kulisse für Al-Azhar diente. Außerdem fand ich einen Imam, der mit der Universität sehr vertraut ist, und konnte ihn als Berater gewinnen. Das war mir wichtig, weil ich die Darstellung so korrekt wie möglich hinbekommen wollte. Aber auch, weil ich neugierig war auf lange, tiefgründige Gespräche über den Islam, in denen ich ihn mit meinen eigenen Zweifeln und Fragen konfrontieren konnte. Denn auch die haben natürlich allesamt Eingang in den Film gefunden.

Die Kairo-Verschwörung

  1. April, 2 Std. 1 Min.

Der junge Adam (Tawfeek Barhom) kommt aus seinem Fischerdorf mit einem Stipendium an die legendäre Al­Azhar Universität. Als dort der Großimam plötzlich stirbt und ein Nachfolger gefunden werden muss, gerät der naive Student zwischen die gnadenlosen Fronten religiöser und staatlicher Kräfte, denn der Geheimdienst­Ermittler Ibrahim (Fares Fares) heuert ihn als Spitzel an. Tarik Saleh macht aus dieser Geschichte einen spannenden Spionage­Thriller in einem bemerkenswerten, weil so noch nie auf der Leinwand gezeigten Setting. Wie es ihm dabei gelingt, Staat und Kirche gleichermaßen zu kritisieren, und trotzdem komplex vom Islam zu erzählen, ist absolut sehenswert. Den Drehbuchpreis in Cannes gab es in jedem Fall zu Recht.

Patrick Heidmann