Musik

06.03. | Album der Woche

Babylon Berlin • Original Television Soundtrack Volume 2

BMG

Die Liebe als Droge

Wie klingt das Berlin des Jahres 1929? Zum Start der 3. Staffel von „Babylon Berlin” erscheint jetzt der Soundtrack Vol. II: die Zeitreise geht weiter!

Mit schnellen Schnitten und rasanten Kamerafahrten inszeniert „Babylon Berlin” das Ende der 1920er-Jahre auf sehr zeitgemäße Weise. Die preisgekrönte TV-Serie um den morphiumsüchtigen Kölner Kommissar Gereon Rath, den es nach Berlin verschlagen hat, ist gerade in die dritte Runde gegangen. Die aufwendig produzierte, 2017 gestartete Serie basiert auf den Büchern des Kölner Autors Volker Kutscher. Bereits 2008 erschien sein Auftakt „Der nasse Fisch”, mit dem alles anfing. Das scheint lange her. Doch wie heißt es so schön? Nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Denn natürlich gewinnt die Roaring Twenties-Serie einmal mehr an Relevanz, da jetzt die 2020er begonnen haben – und die vor hundert Jahren angebrochene, wilde Dekade aktuell in vielen Rückblicken gewürdigt wird. Begleitet werden die historischen Bilderwelten der Serie von eigens komponierten Sounds und Liedern, die die Hörer mitnehmen auf eine Zeitreise in die Weimarer Republik. Johnny Klimek und Tom Tykwer zeichnen wie schon beim ersten Soundtrack kompositorisch für das Gros der Stücke verantwortlich. Für diesen erntete das Duo jede Menge Lob und Preise, darunter den Grimme Preis und den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Musik”. Ergänzt werden ihre Kompositionen von Songs der Dresdner Popband „Woods Of Birnam”, von Einspielungen des Bryan Ferry Orchestra und der Kleinkunst-Interpretin Claire Waldoff („Raus mit den Männern”). Und auch Meret Becker ist hier mal mit zuckersüß verstellter Stimme („Bis in den Mondenschein”), mal mit einem rauchig-flüsternden Gesangspart („Elsa Mechanik”) im Stil der frühen Marlene Dietrich zu hören. Mit künstlicher Patina wurde hier also eine Soundwelt geschaffen, die zwischen verruchten Chansons, zeittypischen Schlagern und dramatisch-perkussiven Instrumentals wechselt. Natürlich wird hier eine Vergangenheit erfunden, die es so nie gab. Aber doch sind die meisten dieser Stücke glaubhaft, weil sie Stilelemente der Goldenen Zwanziger geschickt aufnehmen, verwandeln und manchmal sogar überdrehen, wie etwa in „Der Drache”, wo zu Beginn ein pulsierendes Didgeridoo zum Einsatz kommt. Das vielleicht schönste Stück des Albums, „Love is the Drug”, hat das Bryan Ferry Orchestra eingespielt – ganz im Stil des legendären amerikanischen Posaunisten Jack Teagarden. Man höre zum Vergleich nur mal sein wunderbares „Mis´ry and the Blues”.


Fazit:
Entstanden ist hier eine Mischung aus Exotica und jazziger Programm-Musik, bei der man fast das Knistern von Schellackplatten zu hören meint. Aber auch Fans von etwa Tom Waits werden an diesen teils schrägen Songs ihre Freude haben. Und wer ohnehin Musiker wie Götz Alsmann und Max Raabe mag oder die historischen Aufnahmen von Zarah Leander und den Comedian Harmonists – der wird zu diesem Soundtrack sicher ein kleines Tänzchen wagen.

Foto: ©Babylon Berlin

Gerrit Terstiege