Literatur

05.12. | Buch der Woche

Guillermo Arriaga • Der Wilde

GUILLERMO ARRIAGA

Der Wilde

Klett-Cotta • 27. Oktober

Die erzählerische Wucht, die Filmen wie „Amores Perros“, „Babel“ und „21 Gramm“, für die Guillermo Arriaga die Drehbücher lieferte, innewohnt, kommt im dritten Roman des mexikanischen Autors in all seiner Brillanz zum Vorschein. Protagonist Juan Guillermo ist ein Heranwachsender im Mexiko-City der 60er-Jahre, verwegen, mutig, verwirrt und verletzt. Er springt über Dächer, er liebt die Frauen, er verehrt seinen großen Bruder Carlos, der seiner Familie mit seiner illegalen Chinchilla-Zucht finanziell unter die Arme greift. Arriaga zeichnet eine molochartige Großstadt, in der Bandenkriege und Razzien den Alltag ausmachen, in der Drogen und Polizei das Bild bestimmen. Gemeinsam werden Juan und Carlos wiederholt von der Schule verwiesen und tragen harte Straßenkämpfe gegen ultrakatholische Karatekämpfer aus. Als Carlos ermordet wird, saugt die Geschichte den Leser förmlich in die menschlichen Abgründe, die sich zwischen den Hochhäusern auftun. Juan rettet sich in die Arme von Chelo, einer verführerischen wie selbstbestimmten Frau und findet in einem wilden Hund, der sich als Wolf entpuppt, einen weiteren Retter. Ob das angsteinflößende Tier oder Juan selbst „Der Wilde“ ist, spielt keine Rolle: Das Animalische wohnt auch Arriagas humanen Figuren inne. Gewaltsam-poetisch könnte man den Erzählstil des mexikanischen Autors nennen, mit einer Prise fantastischem Realismus, der in all der Dunkelheit seine Charaktere als menschliche Leuchttürme auferstehen lässt.

Lars Backhaus