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05.11. | Heimkinotipp der Woche

The King of Staten Island

Universal Pictures · 5. November

THE KING OF STATEN ISLAND
Universal Pictures • 05. November

Expertin für Nebenrollen

Marisa Tomei ist selten Mittelpunkt der Geschichten, für die sie vor der Kamera steht. Doch dafür weiß sie in Nebenrollen umso mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Das war schon zu Beginn ihrer Karriere so, als sie für »Mein Vetter Winnie« den Oscar gewann, später in Filmen wie »The Wrestler« oder »Spider-Man: Homecoming« nicht anders. Und nun auch in Judd Apatows »The King of Staten Island«.

Miss Tomei, »The King of Staten Island« basiert in weiten Teilen auf dem Leben des Hauptdarstellers und Komikers Pete Davidson. Was hat denn seine Mutter dazu gesagt, von einer Oscar-Gewinnerin verkörpert zu werden?
Das habe ich sie nicht gefragt. Aber sie hat mir nachträglich ihren Segen gegeben und hatte nichts dagegen, dass ich sie spiele. Als ich sie kennenlernte, haben wir allerdings gar nicht über den Film gesprochen. Pete wollte, dass der er eine Überraschung für sie wird, deswegen hat er das Drehbuch vor ihr geheim gehalten.

Was fiel Ihnen an dieser Frau besonders auf, als Sie ihr im realen Leben begegnet sind?
Beeindruckt hat mich vor allem ihre unermüdlich positive Art. Und ich wusste aus dem Drehbuch, dass sie eine endlose Geduld haben musste. Beides sind Eigenschaften, von denen man selbst ja eigentlich immer noch ein bisschen mehr gebrauchen kann. Ich zumindest hätte mir vieles nicht gefallen lassen von den Nervereien, die ihre Kinder ihr beschert haben. Aber gerade deswegen war es ganz interessant, sich direkt mit ihr auszutauschen.

Im Film haben Sie einen Job, der dieser Tage als systemrelevant gilt und beklatscht wird, ohne dass er letztlich ausreichend gewürdigt wird…
Stimmt, genau wie im wahren Leben ist Petes Mutter auch im Film Krankenschwester. Wobei ich diesen Umstand jetzt nicht zu hoch hängen will, schließlich sehen wir sie im Film praktisch kaum bei der Arbeit. Für die Geschichte ist es nicht wirklich wichtig, dass sie in der Notaufnahme arbeitet – abgesehen von der Tatsache dass wir über ihren Beruf besser verstehen, wie stressresistent und adrenalinerprobt sie ist.

Staten Island ist unter den fünf Stadtbezirken von New York City quasi das Stiefkind. Haben Sie einen Bezug zu diesem Teil der Stadt?
Offen gestanden nicht wirklich. Ich bin in Brooklyn geboren und aufgewachsen, da verschlägt es einen eigentlich nie nach Staten Island. Auch nicht für die Pizza, die laut Pete dort besonders gut sein soll. Aber da mein Bruder Pizzabäcker ist, bin ich in dieser Sache sowieso parteiisch. (lacht)

In »The King of Staten Island« geht es auch darum, seinen Weg im Leben zu finden. Sie selbst wussten sehr früh, dass die Schauspielerei Ihre Leidenschaft ist.
Ach, so früh nun auch wieder nicht. Ich glaube, ich war in meinen frühen Zwanzigern, als ich wirklich erkannte, dass dies mein Weg sein soll. Aber das Leben verläuft ohnehin niemals in geraden Bahnen. Auch in meinem Fall habe ich das nicht so empfunden, selbst wenn ich dem Beruf bislang treu geblieben bin. Das heißt aber nicht, dass ich meine Wahl nicht immer wieder in Frage stelle.

Was bedeutete es für Sie, sehr früh in Ihrer Karriere den Oscar gewonnen zu haben?
Ich musste sehr viel sehr schnell lernen. Denn »Mein Vetter Winnie« war ja erst mein zweiter Kinofilm überhaupt. Auf einiges war ich überhaupt nicht vorbereitet, auf den Umgang mit der Presse zum Beispiel. Mein Glück war, dass ich – sicherlich auch durch den Oscar – danach viele neue Möglichkeiten bekam und weiterarbeiten durfte. Von daher würde ich im Rückblick sagen: Es war ein großartiger Start für meine Karriere. Jetzt muss mir nur auch irgendwann noch ein großartiger Schluss gelingen.

Erleben Sie den Mittelteil aktuell auch als großartig?
(überlegt) Nicht immer, nein. Ehrlich gesagt bekomme ich in letzter Zeit recht häufig Rollenangebote, die leider ziemlich langweilig sind. Ich lehne die nicht immer ab, schließlich will ich ja arbeiten, aber es liegt dann oft einzig an mir, daraus etwas Interessantes zu machen. Das empfinde ich als ziemlich einschränkend. Überhaupt wurde mir beim Film selten die Gelegenheit gegeben, wirklich die ganze Bandbreite meines Spiels zeigen zu können. Das durfte ich bislang eher am Theater.

An geöffnete Theater ist in New York aktuell noch nicht wieder zu denken. Wie erleben Sie die Situation während der Corona-Pandemie?
Ich erlebe sie von zu Hause aus, wie alle anderen auch. Aber im Ernst: Ich habe wirklich keine Ahnung, wann es in unserer Branche zurück in die Normalität gehen wird. Vor allem im Hinblick auf das Theater mache ich mir große Sorgen.

FAZIT: Wer bei »The King of Staten Island« deftigen Humor à la »Wie beim ersten Mal« erwartet, liegt daneben. Zwar führt Judd Apatow Regie und Komiker Pete Davidson spielt die Hauptrolle, doch die beiden haben sich – basierend auf Davidsons Biografie – für eine eher tragikomische und gerade deswegen überzeugende Geschichte über das Erwachsenwerden zwischen Trauer und Langeweile entschieden.

Foto: Universal Pictures

Patrick Heidmann