Musik
05.07. | Album der Woche
Billy Joel • diverse Reissues
Sony Music CatalogFoto: Myrna Suarez
Billy, der Verlässliche
Nach 17 Jahren erschien kürzlich wieder eine neue Single von Billy Joel. Ob ein neues Album folgen wird? Neu aufgelegte alte Klassiker reduzieren die Wartezeit.
Plötzlich ist er wieder da. In Los Angeles werden die Grammys 2024 verliehen, und ein bekanntes Gesicht kehrt zurück, inmitten der vielen neuen Popstars: Taylor Swift, Lana del Rey oder Olivia Rodrigo – Billy Joel, Jahrgang 1949, könnte ihr Großvater sein. Und, so ehrlich muss man sein, so sieht er auch aus. Wenn er sich dann aber ans Klavier setzt, tut das alles nichts zur Sache. Am Grammy-Abend in Los Angeles spielt Joel einen neuen Song, »Turn The Lights Back On«, eine Ballade, bevor er mit dem alten Stück »You May Be Right« die Aftershow-Party eröffnet. Als zuverlässiger Live-Act bietet Billy Joel seit vielen Jahren routinierte Shows. Der Madison Square Garden in New York, den er locker ausverkauft, ist sein zweites Wohnzimmer, vor kurzem spielte er dort sein 100. Konzert. Zuletzt in Deutschland war er 2018, für Europa ist in diesem Jahr bis- lang nur eine Show geplant, in Cardiff, Wales. Ob da noch was dazukommt? Vielleicht später, aus Anlass eines neuen Albums, schließlich steht das neue Lied »Turn The Lights Back On« auch dafür, dass nach 17 Jahren ohne neue Veröffentlichung der kreative Funken wieder da ist. Bis dahin gilt es, die Wartezeit zu verkürzen. Und dabei hilft das Hören der alten Platten. Wer dies auf frisch gepresstem Vinyl tun möchte, hat dazu die Gelegenheit: Viele von Joels LPs aus den 1970ern werden jetzt wiederveröffentlicht. Darunter sein erstes Album »Cold Spring Harbor« aus dem Jahr 1971, das mit Songs wie »She’s Got A Way« den Weg für seine Karriere ebnete. Hat dieses Album noch ein paar Schwachstellen, findet Joel spätestens mit »Turnstiles« aus dem Jahr 1976 seinen Stil. Als Songwriter kombiniert er nun musikalische Ambition mit einem volksnahen Storytelling, der Song »New York State Of Mind« entwickelt sich zu einem zentralen Stück in seinem Werk. Zum Superstar wird Joel mit seinen beiden letzten LPs aus den 1970ern: »The Stranger« (1977) bietet mit Songs wie »Just The Way You Are« oder »Scenes From An Italian Restaurant« eine perfekte A-Seite, mit »52nd Street« verteidigt er seinen Status als Musiker, der Kommerz und Kritikerjubel vereint. Teil der Reissue-Reihe sind auch zwei Livealben: Während »Songs In The Attic« mit seinen elf Songs 1981 bereits in vielen Plattenregalen steht, war das Doppelalbum »Live At The Great American Music Hall 1975« bislang nur als Teil einer LP-Box zu haben. Der Mitschnitt bietet nicht nur die frühen Klassiker, sondern auch Billy Joels damals legendären Parodien. So imitiert er Elton John oder Joe Cocker, zum großen Gefallen seines schon damals begeisterungsfähigen Publikums.
Billy Joel
div. Reissues
Sony Music Catalog • 5. April
Das Wiederhören der neu aufgelegten Platten von Billy Joel aus den Siebzigerjahren zeigt noch einmal, warum der New Yorker zu den beliebtesten US-Singer-Songwritern gehört. Erstens nimmt er sich selbst und den ganzen Rock-Zirkus nicht zu ernst, was sich zum Beispiel zeigt, wenn er Kollegen imitiert und damit ihre Marotten offenlegt. Zweitens weiß Billy Joel, wie man mit Hilfe von Songs am Klavier eine Party feiert. Drittens verändert er nach furiosen Rock’n’Roll- und Boogie-Woogie- Stücken wie »Root Beer Rag« – in einer furiosen Version zu hören auf dem Konzertmitschnitt »Live At The Great American Music Hall 1975« – mühelos den Modus und spielt eine herzerweichende Ballade wie »You’re My Home«.
André Bosse