Literatur

05.05. | Buch der Woche

Anna Brüggemann • Trennungsroman

Ullstein

Banalität des Scheiterns

Schauspielerin und Drehbuchautorin Anna Brüggemann ist gerade 40 Jahre alt geworden, und man darf annehmen, dass sie in ihrem Leben bereits die eine oder andere Beziehung hat scheitern sehen – eigene eingeschlossen. Das hat mit ihrem Debütroman natürlich nichts und doch irgendwie alles zu tun.

„Trennungsroman“ ist ein Beziehungsroman. Die Anlage ist idealtypisch und soll es auch sein: Erzählt wird die Geschichte von Eva und Thomas, beide Anfang 30. Er ist angehender Arzt in einem Krankenhaus – despotischer Chef, karrieristische Kollegen, Minderwertigkeitskomplexe. Sie schreibt schon zu lange an einer kulturwissenschaftlichen Doktorarbeit, hat einen Job im Deutschen Historischen Museum ergattert, ist also gut in dem, was sie tut und weiß das auch. Seit acht Jahren sind sie ein Paar, und der Roman setzt ein, als Eva von einem längeren Auslandsaufenthalt in Paris in die gemeinsame Berliner Wohnung zurückkehrt. In die Wiedersehensfreude schleichen sich von Beginn an Zweifel: Hat sich der andere verändert? Wird es möglich sein, nahtlos an das schöne Vorher anzuknüpfen? Wie viel Nähe erträgt die gewohnte Freiheit, wie viel Alltag die Beziehung, die sich fast zwei Jahre lang auf verabredete Telefonate und Besuchs-Höhepunkte beschränkte? Die Antworten: Ja, nein, nicht viel und wenig – als Leser weiß man von Seite 1 an, dass diese Liebe zum Scheitern verurteilt ist. Die Kapitel sind als Countdown angelegt und zählen die Tage rückwärts.

Indes, was von der Autorin als cleverer Kunstgriff geplant war, gelingt nicht vollends. Die strenge Form, in der die Zeit mit der Liebe schwindet, soll vermutlich den Blick lenken – weg von Zuneigungsspannung mit Kitsch-Gefahr, hin zur schonungslosen Beobachtung einer korrumpierten Beziehungsmechanik. Die Erzählerrollen sind dementsprechend gleichmäßig verteilt: Die Perspektiven wechseln fortlaufend zwischen Eva und Thomas. Das erlaubt feinfühlige Einblicke in die Binnendynamik, und tatsächlich nähert sich der „Trennungsroman“ in seinen stärksten Momenten dem großen Generationenroman, der er gerne sein will; der erzählen will von der Beziehungsunfähigkeit der aktuellen Mittzwanziger bis Anfang-Vierziger mit ihrer nicht immer nur beinahe pathologischen Mischung aus Optimierungswahn, Gewissensbissen und Selbstzweifeln.

Die Figuren allerdings bleiben blass: zu typisch konzipiert sind sie und damit nicht individuell genug, um für eine individualistische Generation typisch sein zu können – ohne Hobbys, ohne Spleens oder auch nur extravaganten Humor. Echte Handlung gibt es nur in Ansätzen. Und so lockert wenig das beinahe spannungsfreie Warten auf das Ende einer langen Liaison auf, die im Roman nie eine Chance hatte. Ohnehin fühlt sich solcherlei Beziehungs-Lektüre in Corona-Zeiten merkwürdig an: die ausgebreiteten Unternehmungen, eine Museumsfeier, das ständige Treffen mit Freunden, Urlaubsfahrten, Umarmungen, Sex. Für einen Roman, der in der Gegenwart spielt, wirkt all das seltsam aus der Zeit gefallen. Dafür kann die Autorin, die ihren Roman sicherlich vor Jahren konzipiert hat, freilich nichts. Dieser hebt dann doch einmal so richtig ab: Die Liebe endet vor dem Buch. Dieses Ende und sein Danach sind präzise beobachtet, mitreißend erzählt und liefern lakonisches Lernen: Es gibt ein Leben nach dem Tod der Liebe – eine Erkenntnis, die alleine bereits die Lektüre lohnt.

Anna Brüggemann
Trennungsroman

Ullstein, 416 Seiten

Daniel Monninger