Kino

04.11. | Kinostarts der Woche

Foto: Warner Pictures


The Many Saints of Newark
Warner Bros., 4. November

„In letzter Zeit hab‘ ich das Gefühl, dass ich ganz zum Schluss eingestiegen bin. Dass das Beste schon vorbei ist“, sinniert Tony Soprano (James Gandolfini) im Sessel seiner Therapeutin am 10. Januar 1999, also in Folge 0101 von „The Sopranos“. Was hat er damit wohl gemeint? 20 Jahre, sechs Staffeln und einen Berg Leichen später bringt „The Many Saints of Newark“ Licht ins Dunkel von Tonys Unterbewusstsein. Das „Soprano“-Prequel setzt Anfang der 70er-Jahre ein. Tonys (Michael Gandolfini) Onkel Richard Moltisanti (Alessandro Nivola) hat nach dem mysteriösen Tod seines Vaters (Ray Liotta) die Geschäfte und dessen junge Frau übernommen. Innerhalb der Familie schwelt der traditionelle Machtkampf um Drogen und Ehre. Vor der Tür aber brennen die Straßen aus einem anderen Grund: die Rassenunruhen haben New Jersey erreicht. Mittendrin Tony, hochintelligent, sensibel, von der Ausstattung irgendwo zwischen „GoodFellas“ und „Shaft“ geworfen und vom Drehbuch her in die Vorhölle zur besten TV-Mafia-Serie jemals.

Edda Bauer


Bergman Island
Filmwelt, 4. November

„Wie in einem Spiegel“ wurde hier gedreht, an diesem Strand. Dort der Baum war auch im Film zu sehen, ist jetzt, gut 60 Jahre danach, aber doch größer. Und das Schlafzimmer ist genau das aus „Szenen einer Ehe“. Es ist schlichtweg nicht möglich, Ingmar Bergman auf Fårö aus dem Weg zu gehen. Das hat das Filmemacher-Pärchen Chris (Vicky Krieps) und Tony (Tim Roth) auch nicht vor. Sie wollen auf den Spuren des großen schwedischen Psychodrama-Meisters wandeln und sich zu neuen Drehbüchern inspirieren lassen. Das klappt bei ihm scheinbar besser als bei ihr. Mia Hansen-Løves filmische Bergman-Huldigung visualisiert nicht nur die (Seelen-)Reise des ausländischen Paares auf der kleinen Insel, sondern auch die tragische Liebesgeschichte, an der Chris schöpferisch fast verzweifelt. Faszinierend wird der Film indes durch die wunderbare Kamera (Denis Lenoir) und die Harfenmusik (unter anderem Erik Nordgrens Originalmusik zu „Lächeln einer Sommernacht“). Bergmans Geist lächelt aus dem Film-Olymp sicher dazu herab.

Jörg Gerle


Die Geschichte meiner Frau
Alamode, 4. November

In „Die Geschichte meiner Frau“ ist die Perspektive schon im Titel vorgegeben, ebenso wie das Objekt der Betrachtung. Das sollte man sich immer vor Augen halten, wenn der gestrandete Seebär Jakob (Gijs Naber) der wildfremden Lizzy (Léa Seydoux) einen Heiratsantrag macht, und sie sich schon wenig später als lupenreine Femme fatale herausstellt. In den europäischen Hauptstädten vor hundert Jahren scheint es kaum etwas anders als Femme fatales a la „Lulu“ und „Blauer Engel“ gegeben zu haben, die naive Männer in den moralischen und finanziellen Ruin trieben. „Die Geschichte meiner Frau“, 1942 vom ungarischen Autor Milán Füst verfasst, macht da keine Ausnahme. Inszeniert hat dieses Spiel um Leidenschaft, Eifersucht und Macht nun die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi, die – das ist seit ihrem Goldenen Bären 2017 für die sehr sachliche Romanze „Körper und Seele“ international bekannt – weit mehr kann als hundertjährige Klischees zu inszenieren. Hier gelingt es ihr jedoch fatalerweise nicht immer.

Edda Bauer