Kino

03.11. | Kinostarts der Woche

03.11. | Kinostarts der Woche

Amsterdam
Wir sind dann wohl die Angehörigen
Land of Dreams


Der ewige Optimist

Für „Amsterdam“ stand Christian Bale zum dritten Mal nach „The Fighter“ und „American Hustle“ vor der Kamera von Regisseur David O. Russell. Dieses Mal half er dabei, seine Rolle zu gestalten. Im Interview spricht er darüber ebenso wie über seinen Bösewicht-Abstecher, hoffnungsvolle Kämpfer und Freundschaften im Arbeitskontext.

Mr. Bale, für „Amsterdam“ haben Sie sich jahrelang immer wieder mit David O. Russell getroffen, um über die Geschichte und vor allem Ihre Figur zu sprechen. Fühlen Sie sich als Co-Autor des Films?
Soweit würde ich nicht gehen. David ist eindeutig der Drehbuchautor, es ist seine Geschichte und er hat alle finalen Entscheidungen getroffen. Aber ich bin dankbar, dass er mich eingeladen hat, Teil des Entstehungsprozesses zu sein. Wir haben Songs, Dokumentationen, Fotos und Bücher diskutiert, die ihm dabei halfen, sich das alles auszudenken. Am Ende durfte ich sogar ein wenig im Schneideraum mit dabei sein, was mir eine besondere Ehre war.

Wie lange waren Sie mit dem Film insgesamt beschäftigt?
Es ist gute sieben Jahre her, dass mir David von den ersten Ideen erzählte. Und wir haben uns dann sehr regelmäßig getroffen und darüber gesprochen. Zwischendurch habe ich natürlich immer wieder andere Filme gedreht, aber diese Figur, an der wir arbeiteten, habe ich immer irgendwie mitgetragen.

Sie spielen einen Veteranen des Ersten Weltkriegs mit Glasauge, der es auch sonst im Leben nicht leicht hat. Doch er ist alles andere als gebrochen oder pessimistisch.
Sein Leben ist voller Düsternis, aber er weigert sich schlicht, die Dunkelheit die Oberhand gewinnen zu lassen. Er strebt immer zum Licht, glaubt an Hoffnung und Liebe und ist ein ewiger Optimist. Andere mögen ihn als versehrt und gebrochen sehen, aber er selbst versteht sich als geheilt und macht es sich zur Aufgabe, auch andere zu heilen. Eine wunderbare Rolle, finde ich.

Auch, weil Sie sonst so häufig das Gegenteil spielen?
Naja, es ist ja nun nicht so, dass ich immer nur grummelige, kaputte Kerle spiele. Und solche Dinge wären für mich auch kein Kriterium: Eine gute Rolle ist eine gute Rolle, und für die tue ich, was nötig ist. Aber tatsächlich hat mir diese hier viel Freude bereitet. Und David und mir war es ein Anliegen, dass es Comedy und Unterhaltung auch angesichts größter politischer und gesellschaftlicher Krisen gibt. Sowohl in der Vergangenheit, denn „Amsterdam“ basiert ja auf allerlei wahren Fakten, als auch heute, wo unser Film gesehen wird und einmal mehr Not am Manne ist.

Blicken Sie ähnlich optimistisch in die Zukunft wie Ihre Figur?
Neben ihm verblasst mein Optimismus natürlich etwas. Aber ich neige nicht zur Schwarzmalerei. Menschen, die voller Hoffnung sind und das auch an andere vermitteln wollen, sind für mich keine Narren, sondern unerschütterliche Kämpfer.

Kürzlich haben Sie in „Thor: Love & Thunder“, der dieser Tage auf DVD und Blu-ray erscheint, auch mal einen Bösewicht gespielt. Machen die mehr Spaß?
Würde ich so unterschreiben. Und nicht nur das – sie sind auch leichter zu spielen. Denn jeder im Publikum ist von Bösewichten fasziniert. Man muss sich also kaum groß darum bemühen, die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu lenken.

Um noch einmal auf den Regisseur David O. Russell zu kommen, mit dem Sie schon mehrfach gedreht haben: Bezeichnen Sie ihn als Freund oder trennen Sie Arbeit und Privates?
Beides, in gewisser Weise. Es gibt schon einen Unterschied zwischen meinen alten, privaten Freundschaften und den Beziehungen, die ich zu den Menschen habe, mit denen ich arbeite. Aber natürlich sind Regisseure wie David, Scott Cooper oder Christopher Nolan, mit denen ich immer wieder zusammenarbeite, auch meine Freunde. Freundschaften, in denen man eine gemeinsame Aktivität hat und zusammen etwas kreiert, sind schließlich etwas Wunderbares.

Macht es Ihre Arbeit automatisch besser, wenn Sie den Regisseur gut kennen?
Das Urteil überlasse ich anderen. Auf jeden Fall hat es viele Vorteile, wenn man miteinander vertraut ist, weiß, wie der andere tickt, und genau weiß, welche Arbeitsweise einen erwartet. Keine Ahnung, ob das die Arbeit besser macht. Einfacher auf jeden Fall.

Interview: Patrick Heidmann

Amsterdam

  1. November, 2 Std. 15 Min.

Ein unglücklich verheirateter Arzt (Christian Bale), ein von der Gesellschaft wegen seiner Hautfarbe ausgegrenzter Anwalt (John David Washington) und eine als Krankenschwester tätige, mitunter labile Künstlerin (Margot Robbie) werden in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs in Amsterdam zu fast unzertrennlichen Freuden. Jahre später werden sie in New York in eine Verschwörung verwickelt, die weite, womöglich sogar globale Kreise zieht. David O. Russell macht daraus eine nicht immer ganz stimmige Mischung aus Krimikomödie und politischem Historienthriller, die mit sehr vielen Ideen und fast genauso vielen hochkarätigen Schauspielern aufwartet. An die Qualität seiner besten Werke kommt der Oscar-nominierte Filmemacher dieses Mal nach sieben Jahren Pause aber trotz des spielfreudigen Ensembles nicht ganz heran.


Wir sind dann wohl die Angehörigen

  1. November, 1 Std. 58 Min.

Es gibt wohl keinen besseren Regisseur für die Verfilmung der Reemtsma-Entführung als den talentierten Hans-Christian Schmid, der schon mit dem Hacker-Thriller „23“ oder dem Exorzismus-Drama „Requiem“ für beste Spannung der unheimlichen Art sorgte. 33 Tage dauerte die Entführung des Hamburger Millionärs Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996. Immer wieder scheiterte die Geldübergabe. Mit großer Empathie für die Figuren und psychologischer Präzision zieht das Drama sein Publikum in den Bann. Wenngleich von Anfang an klar ist, wie diese Entführung ausgehen wird, besteht von der ersten Minute an eine Spannung, die bis zum Schluss gehalten wird. Nachdem er einst Franka Potente, August Diehl oder Sandra Hüller entdeckte, erweist sich Schmid hier einmal mehr als Trüffelschwein des deutschen Films: Leinwandpräsent und glaubwürdig schwankt der 16-jährige Claude Heinrich als Sohn des Entführten zwischen coolem Rebellen und verstörtem Teenager. Das ist Gänsehaut pur!

Dieter Oßwald


Land of Dreams

  1. November, 1 Std. 58 Min.

In ihrer ebenso poetischen wie politischen Satire behandeln die Regisseurinnen Shirin Neshat und Shoja Azari die Welt der Träume und die Bedeutung von Freiheit. Simin (Sheila Vand), Mitarbeiterin der amerikanischen Zensusbehörde mit iranischen Wurzeln, sucht die Bürger für ihre standardisierten Befragungen zu Hause auf. Nach der konventionellen Ermittlung der Daten befragt sie die Teilnehmer zu ihren letzten Träumen. Warum sie dies tun solle, wisse sie nicht, sie erledige nur ihren Job. Nach und nach erkennt Simin, dass sie lediglich als Werkzeug der Regierung benutzt wird und beginnt von nun an, förmlich aufzuwachen. So setzt sie sich sowohl mit dem emotionalen Erbe der iranischen Revolution als auch den Verheißungen des amerikanischen Traums auseinander, der in einen bigotten Überwachungsstaat gemündet ist, und kann beides in Beziehung zueinander setzen. Ein kerniger Leibwächter (Matt Dillon) und ein schock-verliebter Verehrer (William Moseley) stehen ihr dabei unterhaltsam zur Seite.

Lars Backhaus


Foto: Twentieth Century Studios