Musik

03.08. | Album der Woche

Tristan Brusch • Das Paradies

Foto: Ashley Armitage

TRISTAN BRUSCH

Das Paradies

Warner • 08. Juni


» Ich empfinde das Leben als spiralförmig.«

Tristan Brusch arbeitete schon mit Cro, Maeckes und den Orsons. Doch von Deutsch-Rap könnte das Debüt-Album des Berliners kaum weiter entfernt sein: Auf „Das Paradies“ finden sich mit den Mitteln des Elektro-Pop eingespielte Chansons. Musikalisch mag Brusch in den Achtziger Jahren verortet sein, seine Texte sind zeitlos: Liebe, Tod, Sex und Depression behandelt der Sänger mit Eleganz und Witz.

Tristan BruschAuf dem Cover Ihres Debütalbums posieren Sie mit einem Paradiesapfel. Was ist das, dieses Paradies, nach dem Sie die Platte benannt haben?

Das Paradies ist ein Versprechen und ein Trost. Vielleicht ist es ein Ort, an den wir nach dem Tod gelangen, vielleicht ein Zustand hier im Leben, vielleicht ein kurzer, vollkommener Moment. Vielleicht aber auch nur ein Puff oder ein Fahrgeschäft auf einem Jahrmarkt. An dem Paradiesapfel gefällt mir das krasse Gefälle: Er weckt diese diffuse, aber überlebensgroße Hoffnung auf etwas Besseres. Als reales Erlebnis ist er allerdings oft nur eine Mischung aus zähneziehender Zuckrigkeit und mehligem Apfel-Etwas.

Wenn man Ihnen zuhört, muss man gleich an große Künstler wie Rio Reiser oder auch Sven Regener denken. Sind das Vorbilder für Sie?

Beide Künstler liebe ich sehr, aber ich habe mich nicht bewusst ihrem Gesangsstil zugewandt. Vielleicht ergeben sich Ähnlichkeiten durch die Kombination aus der Freude an der deutschen Sprache, die für Gesang eigentlich zu holzig ist, und gesangstechnischem Unvermögen. In deutschen Liedtexten ist der Grat zwischen Verkopftheit und Kitsch sehr schmal. Es tut der Musik ganz gut, nicht zu virtuos zu singen.

Wie kommt es, dass Ihre Platte einen recht starken Achtziger-Jahre-Einschlag hat?

Als ich angefangen habe, in Bands zu spielen, war der 80s-Sound total verpönt. Als ich dann meine ersten Songs in dieses Gewand gekleidet habe, war das zuerst eher ein Scherz. Äh, Dings [Anm. d. Red.: der Produzent des Albums nennt sich tatsächlich so] und ich haben uns dann entschieden, dass wir jedes Genre zulassen wollen, je nachdem, was dem jeweiligen Song am besten steht.

Führen Sie diese Vielfalt auch auf die einfache Verfügbarkeit verschiedener Stile heutzutage zurück?

Absolut. Wenn man, wie ich, mit dem Internet aufgewachsen ist, lernt man schnell Musik aus der ganzen Popgeschichte kennen und lieben. Früher hat man sich mit einer bestimmten Richtung identifiziert, heute pickt man sich eher die Rosinen raus. Auch weil man den gesellschaftlichen und politischen Kontext, in welchem die Musik ursprünglich geschrieben wurde, gar nicht kennt.

Deshalb hat das Album so eine große klangliche Bandbreite. Zwischen „Pustefix“ und „Trümmer“ liegen ja Welten.„Trümmer“ fällt in seiner Schroffheit musikalisch am deutlichsten aus dem 80s-Pop-Rahmen des Albums. Mich erinnert der Song an Kendrick Lamar, vielleicht sogar an Kanye West. Gab es nie die Überlegung, dazu zu rappen?

Ich nehme die Frage als Kompliment, denn Kendrick Lamar hat eine Dringlichkeit, die ich in der deutschen Musik oft vermisse. Kanyes Musik hat viele zutiefst antikommerzielle Elemente und ist doch eindeutig Pop. Ich selbst bin kein Rapper und werde es auch nie sein. Aber ich bin stolz darauf, dass ich für meinen Freund Maeckes die Musik für sein letztes Album schreiben durfte.

„Ist das Euer Gewimmer?“, heißt es im selbenSong. Ist das Ihr Seitenhieb auf Musik in den Charts?

Wenn großartige Künstler erfolgreich werden, freue ich mich. Kendrick und Kanye sind an der Spitze der Charts vertreten – allerdings als einsame Streiter in einem Meer aus uninspirierten und uninspirierenden Interpreten, denen ich unterstelle, dass ihnen Musik eigentlich egal ist. Und die sie für Leute machen, denen sie auch egal ist. Die möchte ich zertrümmern.

Ein weiteres Songzitat: „Ich bin nicht, was Ihr wollt, dass ich es bin“. Ist das Ihre Emanzipationshymne?

Ich empfinde das Leben als spiralförmig. Man ist immer wieder mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Nach einer Krise glaubt man vielleicht, zu wissen, was einem nicht gut tut. Nach einigen Jahren begegnet einem das gleiche Problem dann in anderem Gewand noch einmal. Das ist, als ob man getestet wird, nach dem Motto: Hast du die Lektion vom letzten Mal gelernt? Können Sie das konkreter fassen? Nun, hat man sich beispielsweise von den Ansprüchen der Eltern freigestrampelt, begegnet einem ein Mensch, in dessen Gegenwart man sich fühlt wie mit dem Vater. Dann läuft man Gefahr, in lange überwunden geglaubte Muster zu verfallen. „Karussell“ handelt genau davon. Man sollte sich selbst nicht zu ernst nehmen. Immer wenn mir das gelingt, geht es mir am besten.

Interview: Jan Paersch