Musik

Foto: Lee Kirby

Zimmer mit Aussicht

Seit 2016 geht Soundtrack-Ass Hans Zimmer mit seinen Filmmusiken auf Tour. Wie gut die Melodien auch ohne Bilder funktionieren, belegt sein Album »Live«.

Das hat man jetzt nicht unbedingt erwartet: Hans Zimmer hat Lampenfieber. »Doch, doch...«, sagte er kürzlich bei einer Pressekonferenz, »...ich leide darunter. Deshalb wollte ich auch nie auf Tour gehen und für immer in meinem Studio bleiben.« Wären nicht ein paar Freunde gewesen, allen voran Pop-Star Pharrell Williams und The Smiths-Gitarrist Johnny Marr, würde der in Los Angeles lebende Soundtrack-Mogul wohl noch heute hinter seinen Bildschirmen und Keyboards sitzen. »Sie nötigten mich«, gab der gebürtige Frankfurter zu Protokoll. »Sie meinten, ich könne mich nicht noch länger verstecken und dass es an der Zeit sei, meinem Publikum in die Augen zu blicken.« So 2013, 2014 sei das gewesen. Als Marr ihn dann mit dem Angebot köderte, gemeinsam mit ihm bei der Grammy-Verleihung zu spielen, war es um Zimmers Vorbehalte geschehen: Er wagte den Sprung auf die Bühne – und muss Gefallen daran gefunden haben, wie sich zeigte. Seit 2016 bereist der Mann, der die Tonspur von unzähligen Kino-Hits – darunter »Gladiator«, »Dune« und »Blade Runner« – mit wahlweise epischen, subtilen oder zupackenden Klängen veredelt, mit großer Entourage die Welt. Neben einer gestandenen Rockband und einem Chor gehört zum Tour-Tross, das ist für die Umsetzung von Breitleinwand-Melodien unabdingbar, auch ein großes Orchester. »Aber ohne Dirigenten«, betont Zimmer und sagt auch gleich warum: »Bei klassischen Konzerten dreht einem der Dirigent während der gesamten Show den Rücken zu. Das ist doch unhöflich«, mosert er und meint, dass es auch nicht mehr zeitgemäß sei. »Alle meine Musiker haben Bildschirme, da werden die Taktnummern angezeigt. Das funktioniert prächtig.« Noch etwas anderes klappt auf Tour auch ganz ausgezeichnet: Die Filmmusik- Konzerte kommen gänzlich ohne visuelle Unterstützung aus. »Wir zeigen absichtlich kein einziges Filmbild«, sagt er. »Ich wollte sehen, ob das Ding für sich selbst stehen kann.« Zum einen. Zum anderen wollte er mit optischen Reizen nicht von Musik und Musikern ablenken: »Sie sollen bei dieser Show im Rampenlicht stehen.« Ein Teil der Orchester-Musiker der letzten Tour kam aus Odessa. Sie seien vor dem Krieg gebucht worden – und die meisten konnten tatsächlich mit auf Konzertreise gehen. Aber unter kritischen Bedingungen: »Wir sind uns da emotional sehr nahegekommen, weil sie in ständiger Sorge um ihre Familien waren. Ich war verblüfft, mit welcher Intensität und Professionalität sie die Auftritte spielten.« Gunther Matejka

Hans Zimmer
Live
Sony Classical, 03.03.

Hans Zimmer - Live - Sony Classical - 3. März Man sieht es im Kino, man hört es auf CD: Hans Zimmer kann Action und Romantik, Abenteuer und Animation. Auf seinem neuen Album »Live« präsentiert der 65-jährige Soundtrack-Superstar bekannte und weniger bekannte Score-Melodien aus Filmen wie »Dune«, »Wonder Woman«, »Gladiator«, »Pirates Of The Caribbean«, »The Dark Knight«, »The Last Samurai« und »Interstellar«. Das Ergebnis ist ein wuchtiges, keinesfalls an Pathos sparendes Klassik-Pop- Crossover, das problemlos ohne bewegte Bilder auskommt.