Musik

02.09. | Album der Woche

Jonathan Tetelman • Arias

Deutsche Grammophon

02.09. | Album der Woche - Jonathan Tetelman • Arias

„Wenn ich singe, bin ich genau die Person, die ich sein möchte.“

Auf seinem Debüt „Arias“ präsentiert Jonathan Tetelman bekannte und weniger bekannte Arien. Es weist den in New York lebenden Tenor als stimmgewaltigen, stilistisch geschmeidigen Interpreten des romantischen Opern-Fachs aus. Witzig und charmant ist er dazu – wie wir im Video-Interview feststellen durften.

Sie haben einen Plattenvertrag mit dem renommierten Label Deutsche Grammophon geschlossen. Sehen Sie sich damit am Ziel Ihrer Träume?
Zumindest ist das etwas, womit ich nie im Leben gerechnet hätte. Es handelt sich um eines der ältesten Labels überhaupt. Das ist mehr als nur eine Ehre.

Mit dieser Firma im Hintergrund eröffnen sich bestimmt neue Perspektiven.
Es sind ja jetzt schon viele – für mich zum Teil unfassbare – Dinge passiert. Zum Beispiel habe ich die Möglichkeit bekommen, mit der lettischen Opernsängerin El?na Garan?a zu singen, was ich immer schon mal machen wollte. Dann steht demnächst ein Auftritt mit Angela Gheorghiu in Paris an, der Diva der Diven.

… und mit dem Opernstar Plácido Domingo haben Sie kürzlich auch gesungen …
Ja, in Florenz. Bei den Proben bekam ich anfangs kaum einen Ton heraus, so eingeschüchtert war ich. Wir haben uns dann gemeinsam aufgewärmt und ein paar Stimmübungen gemacht. Als ich zu singen begann, hat er mich mit großen Augen angesehen und gesagt: „Oh mein Gott, das ist ein Tenor!“ Er war perplex. Ein wunderbarer Gentleman! Und er hat immer noch die stimmliche Ausdauer und diese sagenhafte Aura.

Es gibt ein schönes Zitat von Ihnen: „Singen macht mich zu dem, was ich bin.“ Was meinen Sie damit genau?
Wenn ich morgens aufwache, habe ich Musik im Kopf. Wenn ich Auto fahre, habe ich Musik im Kopf. Egal was ich mache, ich denke immer an die Oper. Oder zumindest an irgendeine Art von Musik. Wenn ich singe, bin ich genau die Person, die ich sein möchte.

Sie haben, als Sie vom Bariton in den Tenor gewechselt sind, erst mal eine dreijährige Pause als Sänger eingelegt und stattdessen als DJ in den New Yorker Clubs gearbeitet. Wie passen David Guetta und Verdi zusammen?
Tatsächlich habe ich auch als DJ versucht, immer wieder klassische Remixe einzubauen. Es gibt da ein paar ganz gute, zum Beispiel „Adagio for Strings“ von DJ Tiesto. Zwischen elektronischer und klassischer Musik finden sich übrigens einige Parallelen: in beiden Genres geht es um Spannung und Entspannung. Und um Wiederholung. Der große Nachteil am Leben als DJ ist jedoch, dass man zwar auch von neun bis fünf Uhr arbeitet – aber damit eben das andere „nine to five“ gemeint ist, die Nachtschicht nämlich. Das hält man auf Dauer nicht aus.

Auch die Musik bleibt nicht von der Politik verschont. Was halten Sie von Auftrittsverboten von russischen Sängerinnen und Sängern?
Man muss unterschieden: Wenn sie der Meinung sind, dass der Krieg gegen die Ukraine falsch ist, es aber aus persönlichen Sicherheitsgründen nicht sagen wollen, ist das eine Sache. Eine ganz andere Sache ist es, wenn sie den Krieg unterstützen. Aber ich tue mich da leicht, ich lebe in Amerika, wir haben das Recht auf eine freie Meinung.

Ein anderes amerikanisches Recht wird gerade zu einem riesigen Problem: Das Recht auf Waffenbesitz. Warum sind schärfere Waffengesetze trotz unzähliger Massaker nicht möglich?
Die amerikanische Waffenindustrie war sehr kreativ, indem sie diese Kultur der Waffen geschaffen hat. Sie hat die amerikanische Bevölkerung zu Waffen-Narren gemacht. Diese Leute zu entwaffnen ist schwierig – zumal das Recht auf Waffen in der Verfassung verankert ist. Doch eines steht fest: Es muss unbedingt etwas geschehen. Eine Verfassungsänderung, ein Umdenken, am besten eine kulturelle Reformation.

Kann Amerika trotzdem noch ein Ort sein, an dem man gerne lebt?
Das alles beunruhigt mich tatsächlich. Vor allem ängstige ich mich um meine Tochter. Deshalb wollen wir auch wegziehen, vermutlich nach Berlin, vielleicht nach Potsdam.

Jonathan Tetelman
Arias

Deutsche Grammophon • 12. August
Natürlich Verdi. Pucchini darf auch nicht fehlen. Genauso wenig wie Bizets „Carmen“. Doch auch wenn der 33-jährige Jonathan Tetelman auf seinem Debüt-Album „Arias“ Hits aus dem Opernfach präsentiert, ist es beileibe kein Best-of des Genres. Vielmehr sei es ein „Best-of-Tetelman“, versichert er im Interview. Man darf ihm glauben. Denn das im Alfredo Kraus Auditorium in Las Palmas gemeinsam mit dem Orquesta Filarmónica de Gran Canaria eingespielte Album zeigt viele verschiedene Facetten sowie die packende Emotionalität des jungen Tenors. Auffällig dabei ist, wie weit vorne seine Stimme sitzt. Kein Knödeln, kein Nuscheln, sondern präziser, glasklarer Stimmansatz. Eine Technik, die größtmögliche Stimmkontrolle erlaubt – und ganz in der italienischen Opern-Tradition steht.


Foto: Ben Wolf

Gunther Matejka