Musik

01.10. | Album der Woche

Chet Faker • Hotel Surrender

BMG

Foto: Nick Murphy


Realität als Fensterscheibe

Mit „Hotel Surrender“ hat Chet Faker endlich wieder die kreative Freiheit gefunden, die ihm nach dem großen Erfolg seine Debüts abhandengekommen war.

Ihr letztes Album haben Sie unter Ihrem Geburtsnamen Nick Murphy veröffentlicht. Warum?
Ich brauchte ein Vakuum, um mich erwartungsbefreit musikalisch auszuprobieren. Das mag egoistisch gewesen sein, aber es ist wie mit einer Blume: Oft präsentieren Musiker nur die Blüte, aber zuvor muss man sich um den Boden kümmern und die Pflanze umtopfen. Dieser Prozess ist zwar dreckig, aber notwendig. Nick Murphy war also meine Gartenarbeit. Das Projekt dient allein zur Erforschung meiner Kreativität, während bei Chet Faker die Musik an sich das Herzstück bildet.

Das neue Album heißt „Hotel Surrender“. Wem oder was liefern Sie sich gerne aus?
Am liebsten mir selbst. Ich möchte präsent durchs Leben gehen. Statt darüber nachzudenken, wo ich gerade lieber wäre oder wie ich meine Zeit ökonomischer nutzen könnte, ergebe ich mich dem Moment und schalte meinen Kopf aus. Ich bin eigentlich ein chronischer „Overthinker“. Aber dieser Perspektivwechsel hat mir die kreative Freiheit auf „Hotel Surrender“ erlaubt. In meinen Zwanzigern dachte ich, ich muss mich selbst zum Künstler machen und leiden, um aus diesen Tiefen Musik zu schöpfen. Mittlerweile habe ich erkannt, dass ich ohnehin Künstler bin und es in mir eine kreative Quelle gibt, an der ich mich bedienen kann.

Was hilft Ihnen noch dabei, Ihren Kopf auszuschalten?
Ich meditiere seit zwei Jahren täglich. Der Geist funktioniert nicht wie der Körper. Man kann ihn nicht mit Gewalt an sein Limit bringen. Ich war besessen von Effizienz, bis ich festgestellt habe, dass man zu den besten Ergebnissen kommt, wenn man entspannt. Dieser Gedanke war für mich eine Offenbarung. Man muss dazu mit sich selbst im Reinen sein, was nicht immer einfach ist. Man wird von äußeren Faktoren beeinflusst – vielleicht stirbt ein geliebter Mensch oder man wird krank. Eine passende Analogie wäre folgende: Stell dir vor, deine Realität ist eine Fensterscheibe. Es ist unabänderlich, dass sie von Zeit zu Zeit dreckig wird. Mal ist es vielleicht nur ein bisschen Regen, mal fällt dir ein ganzer Baum davor. Was auch immer passiert, man muss das Fenster regelmäßig säubern. Meiner Meinung nach funktioniert das nur, indem man seinen Gefühlen ohne Hintergedanken Ausdruck verleiht – egal ob das in Form eines Tanzes oder eines Gesprächs ist. Die Akzeptanz des individuellen Ausdrucks ist unser Ticket, mit dem wir die Welt zu einem besseren Ort machen können.

Chet Faker
Hotel Surrender

BMG, 10. September

Beim Hören von „Hotel Surrender“ folgt man am besten Chet Fakers Rat: Den Kopf ausschalten und sich dem Moment hingeben. Der lässige, elektronisch angehauchte Pop bietet die perfekte Grundlage dafür und entwickelt mit seinen dichten Soundteppichen einen Sog, dem man sich gerne hingibt. Und wenn man die Musik nach Fakers Maxime konsumiert, ist es eben auch nicht tragisch, dass im Nachgang kaum eine Melodie hängenbleibt. Für den Moment hat es sich gelohnt.

Katharina Raskob