Musik

01.05. | Box-Set der Woche

Depeche Mode • Spirits In The Forest

Sony · 1. Mai

Foto: Anton Corbijn

Die Kraft der Musik

In seiner Konzert-Doku „Spirits in the Forest“ begleitet Anton Corbijn sechs Fans, die ihre Idole Depeche Mode und dabei auch ihr eigenes Leben feiern.

Ihre Geschichten sind so unterschiedlich wie ihre Leben, doch eines haben sie gemeinsam: die Faszination für Depeche Mode. Sechs ausgewählte Fans von der Mongolei bis Brasilien schildern in „Spirits in the Forest“, wie die Musik der Band aus dem englischen Basildon sie bis heute begleitet. Der Rumäne Cristian erinnert sich an die Tage des Kommunismus, als Westmusik verboten und eine Kassette ihres 1986er-Albums „Black Celebration“ sein wichtigster Besitz war, die er aus Angst vor Bandsalat jedoch nie abgespielt hat. Carine aus Frankreich erzählt, wie sie mit 25 Jahren nach einem Autounfall das Gedächtnis verlor und sich danach an nichts erinnern konnte außer an die Musik der Synthie-Pioniere. Dicken aus Kolumbien verarbeitete seine Trauer über die Trennung von seinen Kindern in der Familienband „Depeche Mode for Kids“, die Songs der Gruppe mit einfachen Mitteln interpretiert und damit selbst zum Phänomen wurde. Jeder der sechs Protagonisten hat seine eigene tief verwurzelte Historie mit der Band. Anton Corbijn porträtiert die Charaktere in ihrem persönlichen Umfeld und folgt ihnen dann nach Berlin, wo sie alle dem Abschlusskonzert der „Spirit“-Tour in der Berliner Waldbühne beiwohnen. Dabei will er vor allem eines zeigen: Depeche Mode überwinden sämtliche Grenzen und vereinen die Welt.

Die US-Amerikanerin Liz bringt die Faszination eines Depeche-Mode-Konzerts auf den Punkt: „Sie sind wie die beste Kirche, in der man je gewesen ist. Die gemeinsame spirituelle Erfahrung gibt dir diese unglaubliche Energie und positive Einstellung.“ Auch wenn die Band im Studio nicht mehr an ihre Höhepunkte von früher anknüpfen kann, bleibt die Faszination für ihre Live-Shows ungebrochen. Das liegt neben ihren Hits und den Frontmann-Qualitäten von Sänger Dave Gahan auch an den Fans, deren Liebe zur Band tiefer geht als bei den meisten anderen Gruppen und mitunter religiöse Züge annimmt. Corbijn dokumentiert während des Konzerts speziell die Interaktion zwischen Publikum und Band. Dabei schwenkt er immer wieder auf die gemischte Gruppe und fängt die Emotionen am Ende ihrer langen Reise ein – Dickens Tränen bei „Precious“, vor allem aber die gemeinsame Freude, die Band in Berlin zu erleben. Am Ende folgt die kollektive Erlösung: Beim Finale des Konzerts liegen sich alle in den Armen und singen gemeinsam mit den 22.000 anderen Besuchern das programmatische Depeche-Mode-Frühwerk „Just can’t get enough“.


Fazit: „Spirits in the Forest“ ist nicht Corbijns erste Dokumentation über Depeche Mode, auch viele der Songs sind bereits mehrfach auf Film verewigt. Der Clou des Streifens sind die Fans, die aufzeigen, was das Trio aus Basildon zu einer besonderen Band macht. Natürlich ist die Auswahl der Porträtierten alles andere als zufällig, doch ihre Geschichten von Verzweiflung, Glaube und Hoffnung tragen nicht nur den Film, sie spiegeln auch die Texte der Band.

Chris Hauke