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01.04. | Album der Woche

Esther Abrami • Esther Abrami

Sony Classical

01.04. | Album der Woche - Esther Abrami • Esther Abrami

Erfolg ohne Erlaubnis

Esther Abrami vereint Klassik und Moderne wie keine andere. Mit ihrem Auftreten bringt die Influencerin frischen Wind in eine angestaubte Szene.

Esther Abrami, haben Frauen es in der Klassik schwerer?
Man wird zumindest schnell verurteilt. Oft wurde mein Erfolg meinem Geschlecht zugeschrieben. Das ging schon in der Schule los. Wenn uns ein heterosexueller Mann unterrichtete, meinten die Jungs, ich hätte nur wegen meines Aussehens eine gute Note bekommen.

Begegnet Ihnen diese Mentalität heute noch?
Ja, und das ärgert mich. Schließlich arbeite ich täglich sehr hart. Aber Äußerungen wie: „Sie hat es leicht, weil sie ein kurzes Kleidchen trägt“ kommen immer noch vor. Das finde ich schockierend. Sogar für mein gesteigertes Interesse an der Modewelt wurde ich schon verurteilt.

Inwiefern?
Leute machten sich darüber lustig und meinten, dass ich keine ernsthafte Musikerin sei, weil ich meiner Outfitwahl angeblich mehr Zeit einräumen würde als dem Üben. Ich habe meine Leidenschaft für die Mode deswegen sogar zeitweise auf Eis gelegt. Aber irgendwann hatte ich keine Angst mehr davor, was andere Leute denken könnten. Es gelang mir dann auch, mich nicht von der Kritik an meinem Auftreten in den sozialen Medien beirren zu lassen.

Wieso wurden Sie kritisiert?
Ich glaube, dass viele ältere Vertreter der Klassik Angst hatten, dass man in den sozialen Medien das geistige Niveau der Musik nach unten schrauben würde. Aber das ist Quatsch. Es ist doch toll, wenn man es schafft, klassische Musik zugänglicher zu machen. Dazu gibt es eine schöne Anekdote: Über soziale Medien hatte ich zu meinem letzten Konzert an der Universität eingeladen. Es kostete keinen Eintritt. Normalerweise sitzen dort nur die Jury und ein paar Familienmitglieder. Bei mir kamen aber so viele Leute, dass zusätzliche Stühle besorgt werden mussten. Als dann ein paar Teenager nach dem ersten Satz des Konzerts zu klatschen anfingen – was man üblicherweise ja nicht macht –, runzelten die Juroren genervt die Stirn. Ich fand es aber toll, auch Leute abseits der Klassikblase begeistert zu haben.

Nahm man Ihnen noch etwas anderes übel?
Vielleicht meinen eher unkonventionellen Weg. Als Solistin ist dieser normalerweise sehr starr vorgegeben: Man gewinnt einen großen Wettbewerb oder wird zum Protegé eines berühmten Lehrers. Bei mir war das nicht der Fall und ich stamme auch nicht aus einer Musikerfamilie. Daher verfolge ich meinen Traum auf andere Art und Weise, ohne die klassischen Stufen zu erklimmen. Und ich habe niemanden offiziell um Erlaubnis gefragt.

Esther Abrami
Esther Abrami

Sony Classical, 25. März

Mit gerade mal 25 Jahren wagt Esther Abrami sich daran, die ungeschriebenen Gesetze der Klassik zu brechen und überzeugt auf ihrem Debütalbum mit angstfreier Innovation. So wagt sie sich mit „Sainte Victoire En Sol Mineur“ nicht nur selbst ans Komponieren, sondern verpasst traditionsträchtigen Klassikern von Chopin, Mozart oder Satie einen frischen


Foto: Charlotte Ellis

Katharina Raskob