Literatur

01.02. | Buch der Woche

Ottessa Moshfegh • Lapvona

01.02. | Buch der Woche - Ottessa Moshfegh • Lapvona

Ottessa Moshfegh
Lapvona
Hanser Berlin
336 Seiten, 26,00€

Lapvona ist eine mittelalterliche Kleinstadt, die wie unter einer Käseglocke zu existieren scheint. Kaum ein Bewohner hat die Grenzen des Orts je verlassen, das harte Leben ist von alltäglicher Routine geprägt. Gleichzeitig ist der Feudalismus in Lapvona fest verankert. Ein dekadenter Fürst wacht mehr schlecht als recht über die landwirtschaftlich geprägte Siedlung, die speziell zur Erntezeit gerne von Banditen überfallen wird. Für die entsprechende Gottesfürchtigkeit sorgt ein Priester, der in seiner Bibelkenntnis allerdings alles andere als sattelfest ist. Etwas außerhalb lebt der Schafhirte Jude mit seinem Sohn Marek, die zwei unwahrscheinlichen Hauptfiguren der Geschichte. Denn Jude ist ein Cousin des Fürsten, und Marek hat sich vor kurzem mit dessen kapriziösem Sohn angefreundet.

Ein Besuch in Lapvona kommt einem seltsam vertraut vor, denn die Lektüre entführt einen in die abgedunkelten Märchenwelten der Kindheit, inklusive der dazugehörigen Albtraumlogik. Die Realität ist porös an diesem Ort, allerhand Magie lauert im Hintergrund, und die Grausamkeit der menschlichen Natur ist allgegenwärtig. Ottessa Moshfegh lässt einen ganzen Strauß skurriler Figuren auftreten, um ihre garstige Parabel auf Religion, Macht und Politik mit einem gleichnishaften Leben zu füllen. Willkür, Ignoranz und Aberglaube spielen die Hauptrollen in dieser Erzählung zwischen Fantasy, Fabel und Horror, die sich hartnäckig einer endgültigen Durchdringung entzieht. Als Gegenleistung bietet "Lapvona" eine unheimliche Atmosphäre und eine morbide Spannung, die bis über das Ende des Romans hinaus anhalten.

Markus Hockenbrink