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01.01. | DVD der Woche

Sharp Objects

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Warner • 13. Dezember

Sharp Objects hantiert mit dem Gegensatz von ländlicher Kleinstadtfamilienidylle und menschlichen Abgründen und raubt dabei den Zuschauern den Atem.

Wind Gap im Bundesstaat Missouri ist Schauplatz von „Sharp Objects“ und eine amerikanische Kleinstadt, wie sie im Buche steht: Große Einfamilienhäuser mit Veranden, Fönfrisuren, historische Gedenktage mit Laientheater und allerlei Tratsch kann man hier finden. Reporterin Camille hat sich von der Enge und Einöde dieses Zuhauses längst gelöst, kehrt nun aber für eine Reportage über die Morde an zwei jungen Mädchen zurück in das Haus ihrer Familie. Verträumter 50er-Blues wird schon im Vorspann mit ausschnitthaften Bildern von Insekten, Blut und Stacheldraht konterkariert – ein ästhetischer Griff, der sich durch die acht Folgen der abgeschlossenen Miniserie ziehen wird und bereits einen Hinweis auf die Oberflächlichkeit der ländlichen Idylle gibt. Gegensätze prallen dann erstmals aufeinander, als die alkoholkranke Camille, vor Kurzem aus der Psychiatrie entlassen, und ihre Mutter Adora, Sinnbild der mütterlichen, kontrollsüchtigen Matriarchin, sich nach Jahren wiedersehen. Amy Adams (Camille) und Patricia Clarkson (Adora) betreten ein Spielfeld, auf dem beide ihre Figuren kongenial in Szene setzen. Was die Romanvorlage von Autorin Gillian Flynn („Gone Girl“) vorlegte, treibt die von HBO produzierte Serie auf die Spitze: Die Jagd auf einen Mädchenmörder webt sich hinein in die desaströse, emotionale Familienbande mit tiefgreifenden Konsequenzen für Camille und ihre Schwester. Letztere sind zunächst nur subtil vorhanden, durch Rückblenden, Rauschzustände und grausige Entdeckungen wird die Tragweite der Katastrophe jedoch deutlich. Psychische Krankheit wird gleichermaßen zur Triebfeder der Narration und der Reise in Camilles Vergangenheit. Mit Vehemenz versucht sie, die Schnitte, die sie sich selbst am ganzen Körper zugefügt hat, zu verstecken. Die bis zur Vervollkommnung perfektionierte Fassade der Kleinstadt bröckelt und entblößt tiefgreifende Misogynie. „Sharp Objects“ spielt die menschlichen Abgründe von strafforganisierten Kleinbürgern zugespitzter aus als beispielsweise „Big Little Lies“ und widmet sich psychischen Krankheiten weit weniger mitfühlend als „Tote Mädchen lügen nicht“. Dazu bedient man sich einer scharfgestochenen Ästhetik, die mit sattgrünem Rasen und tiefblauem Himmel bitter auf der Zunge zergeht. Garniert mit Amy Adams und Patricia Clarksons subtilem wie ausdrucksstarkem Spiel hat „Sharp Objects“ alles, was es braucht, um der nächste Serienhit zu werden. Marina Mucha

FAZIT: Wer sich gerne in die Untiefen der menschlichen Psyche hineinziehen lässt und dabei auch mit emotionaler Gewalt zurechtkommt, dem sei die ästhetisch-inszenierte Miniserie „Sharp Objects“ wärmstens empfohlen. Narrativ, bildlich und darstellerisch absolut auf der Höhe, ist sie allerdings nichts für schwache Gemüter.