Wolfgang Müller

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„Von mir aus kann jeder Strichjunge Präsident werden.“

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24.01.2014, Köln. Der Berliner Konzeptkünstler und Schriftsteller Wolfgang Müller beendet gerade sein Hotel-Frühstück mit einem Blick ins Smartphone. Nach einem anekdotenreichen Vortragsabend an der Kölner Kunsthochschule für Medien steht sein Rucksack für die Rückreise bereit. Darüber sind nonchalant ein dicker Winterpullover und eine Jacke geworfen. Unprätentiös, mit offenem Lachen und leichtem Berliner Sing-Sang wird die deutsche ‚Subkultur-Ikone’ die nächsten anderthalb Stunden den Begriff „Subkultur“ in der Postmoderne unter einer Vielzahl von Blickwinkeln verorten – von Jonathan Meese über van Gogh bis zum NSA-Skandal, von der Geschwindigkeit bis zu seinem Geheimnis.

Herr Müller, Sie gelten seit Ende der 70er-Jahre als einer der Protagonisten deutscher Subkultur, gerade als Gründer der Berliner Band Die Tödliche Doris. Letztes Jahr haben Sie ein viel beachtetes Buch über die Subkultur Berlins zwischen 1979 und 1989 geschrieben. Aus eigener Erfahrung: Was braucht ein Mensch, um sich in einer Subkultur wiederzufinden und sie zu produzieren?

Wolfgang Müller: Ich würde Subkultur zweiteilen. Es gibt eine Subkultur die man wird, ohne es sein zu wollen. Das betrifft Leute, die ausgegrenzt werden von Mehrheiten. Das können ethnische oder soziale Gruppen sein, wie etwa gehörlose Menschen und generell alle, die nicht in den Mainstream passen. Es gibt aber auch einen Begriff der Subkultur, der „das Übersehene“ ist. Also, dass sich etwas entwickelt und nicht wahrgenommen wird, weil die Mehrheiten oder die Medien es nicht registrieren. Erst ab einem bestimmten Punkt wird es dann sichtbar.

Ein Beispiel?

Punk ist so ein Beispiel. Das war erst ein Randphänomen an verschiedenen Orten. Selbst in kleinen Dörfern gab es ja Punks. Heute wird damit Werbung gemacht und Audi ist der neue Punk. Das Randphänomen von damals ist heute voll im Mainstream angekommen. Ein anderes Beispiel: In der Mehrheitskultur der Hörenden gibt es gar kein Bewusstsein für gehörlose Kultur. Hörende, wenn sie selbst keine Gehörlosen kennen, können sich kaum vorstellen, dass sich da eigene Kulturformen entwickelt haben, wie die „Gebärdenpoesie“ oder den „Deaf Poetry Slam“, wo in Gebärden gereimt wird, statt in Wörtern. Das sind spannende Umsetzungen, die eigentlich alle bereichern müssten.

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