Vandana Shiva
„Die Zerstörung der Erde ist die Basis von Armut.“
Zur Person
Die Sozialaktivistin und Globalisierungskritikerin Vandana Shiva (geboren am 5.11.1952 im indischen Dehradun, im Doon Valley zu Füßen des Himalaya) studierte Physik an der Panjab-Universität und ließ sich nach ihrem Masterabschluss an einem experimentellen Brutreaktor in einem Forschungszentrum nahe Mumbai ausbilden. In Kanada promovierte sie über Grundlagenfragen der Quantenmechanik. Nach ihrer Rückkehr nach Indien engagierte sie sich erstmals in der Umweltbewegung und kehrte in der Folge der Physik den Rücken. Ihre Themen wurden biologische Vielfalt, ökologische Nachhaltigkeit und Frauenrechte. Als Aktivistin wurde ihr 1993 der Right Livelihood Award verliehen, auch bekannt als Alternativer Nobelpreis. Unter anderem ist sie Gründungsmitglied des World Future Council.
22.11.2014, Dorint-Hotel Hamburg-Eppendorf. Vandana Shiva trägt ein silbernes Armband, an dem Symbole aller Weltreligionen hängen. Sie hat Aura und Charisma, ist aber sachlich und bodenständig zugleich. Nur ihre klare, deutliche Stimme fordert. Über 40 Jahre Kampf für die Rechte armer Leute und eine nachhaltige Umweltpolitik, die Artenvielfalt schützt und eine von Männern dominierte Marktmacht einschränkt, haben sie zu einer starken Frau geformt. Vandana Shiva war gerade Hauptrednerin auf dem Bundeskongress der Grünen. Am Vortag hat sie den Film „Der Bauer und sein Prinz“ im Abaton-Kino präsentiert, in dem ihr Freund Prince Charles eine tragende Rolle spielt.
Frau Shiva, wenn wir über Ihre vielfältige Arbeit sprechen: Wo fangen wir da an? Was sind die wichtigsten Themen?
Vandana Shiva: Der Schwerpunkt meiner Arbeit hat sich in den letzten 40 Jahren mehr und mehr von allgemeinen ökologischen Fragen in Richtung ökologischer Landwirtschaft verlagert. Der Wendepunkt kam 1984 durch das Bhopal-Desaster. Damals gelangten im indischen Bhopal im Werk eines US-Chemiekonzerns aufgrund technischer Pannen mehrere Tonnen giftiger Stoffe in die Atmosphäre. 2.000 Menschen starben sofort, 8.000 in den Tagen danach, 30.000 waren es insgesamt. 100.000 leiden heute noch an den Spätfolgen, neugeborene Kinder haben aufgrund der Vergiftung Geburtsdefekte. Im selben Jahr spitzten sich die kriegerischen religiösen Auseinandersetzungen im landwirtschaftlich geprägten indischen Bundesstaat Punjab immer mehr zu. Zu dieser Zeit habe ich für das Programm „Peace and Global Transformation“ für die Vereinten Nationen gearbeitet.
Was war Ihr Job dabei?
Ich habe etwas über die Entwicklung der Landwirtschaft in Punjab geschrieben und die Probleme mit den Ressourcen analysiert. Ich habe für die UN dann eine Schrift über die Zusammenhänge von Gewalt und der sogenannten „Grünen Revolution“ verfasst, diese in den 60er-Jahren begonnene Entwicklung moderner landwirtschaftlicher Hochertragssorten und deren Verbreitung in Entwicklungsländern. Ich habe realisiert, dass Ausbeutung in der Landwirtschaft von einem gewaltsamen Modell herrührt, das seinerseits Wurzeln in kriegerischen Auseinandersetzungen hat.