Ünsal Arık

Ünsal Arık

„Alles, was ich mache, mache ich zu hundert Prozent.“

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  • Lena Giovanazzi
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Zur Person

7. Februar 2023, Berlin. Der Boxer und prominente Erdoğan-Gegner Ünsal Arık sitzt auf dem Sofa seiner Berliner Wohnung exakt mittig unter einem Druck von Leonardo da Vincis „Das letzte Abendmahl“. Ein Zoom-Ausschnitt, den er für Interviews bewusst gerne wählt. Mittlerweile fördert er den Veganismus und betätigt sich als Botschafter für die Stiftung Kinderherz sowie als Stimme der Verständigung zwischen den Kulturen, jedoch hat er ein Leben hinter sich, das er nach moderner Definition als überaus toxischer Mann verbrachte. Ein Leben im Dazwischen. „Alman vs. Kanake“ heißt seine Autobiografie, eine brutal ehrliche Geschichte über Identität, Parallelgesellschaften, Rassismus, beidseitige Arroganz und seelische Abgründe. Mitten im Gespräch springt ein weißer, wuscheliger und offensichtlich sehr geliebter Mischling dem Herrchen auf den Schoß. Strahlen auf beiden Seiten.

Ünsal Arık, Sie sind als Boxer bekannt geworden, als Spätstarter in diesem Sport, zugleich aber als jemand, dessen Hauptkampf sich gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan richtet. Außerdem gegen Hass und Ignoranz aller Art. Dabei belegt Ihre Autobiografie, wie genau Sie wissen, wovon Sie reden, denn obschon im bayerischen Parsberg geboren, waren Sie selbst lange Zeit türkischer Nationalist und Deutschenhasser. Ein latent islamistischer, zorniger Ignorant.

Dieser Zorn kommt aber nicht aus den Elternhäusern. Ich kann wahrscheinlich für jeden Türken sprechen, dass daheim versucht wird, den Kindern Demokratie beizubringen. Die türkische Kultur hält man dabei allerdings aufrecht. Du bist Türke, du bist Moslem. Der Vater erklärt dir: Die Deutschen sind ein bisschen anders, etwas kühler, nicht ganz so gastfreundlich. Er möchte, dass du dich darauf einstellst, aber was du dann bei einem deutschen Schulfreund zu Gast erlebst, nimmst du als Demütigung wahr. „Geh schon mal ins Zimmer“, sagt dir beispielsweise die Mutter, „der Tobias isst noch eben zu Ende und kommt dann zu dir.“ Und du denkst: Mein Papa hat recht. Bei uns stellt man sofort einen Teller mehr hin und die haben mich noch nicht mal zum Essen eingeladen. Daraus machst du für dich als Kind die Aussage: „Du Scheiß-Türke, warte gefälligst, wenn der Deutsche noch speist.“

Das fällt tatsächlich in die Kategorie nicht böse gemeinter kultureller Unterschiede. Haben Sie aber auch offenen Rassismus erlebt?

Und wie! Der Lehrer sagt dir mehr oder weniger offen, dass aus dir nichts wird. Vor der Tür der Diskothek heißt es am Wochenende: „Drei Alis auf einen Schlag? Keine Chance, zu viele Kanaken heute.“ So baut sich der Hass auf, das Vorurteil gegen alle Deutschen. Schließlich hörst du in der Koranschule, auf die deine Eltern dich schicken, dass alle Ungläubigen in der Hölle schmoren werden.

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