Tom Schilling
„Ich drehe mich permanent um mich selbst.“
Zur Person
Tom Schilling (geboren am 10. Februar 1982 in Ost-Berlin) wuchs in Mitte auf und besuchte dort das Gymnasium. Seine erste Rolle spielte er mit sechs Jahren im DDR-Film „Stunde der Wahrheit“, danach machte er als Schüler Theater und schaffte noch vor dem Abi mit dem Film „Crazy“ den Durchbruch als Schauspieler. Als einer seiner besten Filme gilt „Oh Boy“, in dem er 2013 einen durch Berlin irrenden jungen Mann spielt und für den er den Deutschen Filmpreis erhielt. Neben der Schauspielerei ist er auch als Singer/Songwriter mit seiner Band Die Andere Seite aktiv. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin, aus einer früheren Beziehung hat Schilling ein weiteres Kind.
23.02.2017, Berlin. Das Michelberger Hotel an der Warschauer Straße ist eine gute Adresse in Berlin, um Stars zu sichten. Besonders häufig residieren hier US-amerikanische Musiker, die Sprache in der Lobby ist Englisch. Heute gehört das Hotel den Schauspielern. Im Café sitzt Axel Prahl und schmiedet Pläne. Im Innenhof steht Tom Schilling und raucht. Der Schauspieler und neuerdings auch Musiker trägt eine Pilotenjacke zum Anzug. Nach der Kippe geht es in den Interviewraum. Den ganzen Tag hat er hier Fragen zu seinem ersten Album beantwortet, einer Platte mit zehn zumeist traurigen und romantischen Liedern. Nun folgt das letzte und längste Gespräch des Tages. Tom Schilling überlegt, wenn die Frage es verlangt. Manchmal passt er auch. Es geht um deutsche Romantik und reflektierten Narzissmus - und am Ende um eine kosmische Theorie zum Gang der Welt.
Herr Schilling, was bedeutet für Sie Romantik?
Romantik steht für Sensibilität und Sinnlichkeit. Es gibt dabei wohl eine sehr deutsche Form von Romantik, zu der ich bisher eigentlich nur wenige Berührungspunkte hatte. Ich bin niemand, der sich hinsetzt und Gedichte liest. Oder der sich in den Gemälden von Caspar David Friedrich verliert. Beim Schreiben meiner Lieder habe ich allerdings bemerkt, dass ich gerne diese alte deutsche romantische Sprache benutze.
Was zeichnet diese Sprache aus?
Starke, häufig düstere Bilder, gerne mit Naturbezügen. „Kalt ist der Abendhauch" ist ein gutes Beispiel, das ist ein Vers aus dem Gutenachtlied „Der Mond ist aufgegangen" von Matthias Claudius, allerdings aus der letzten Strophe, der siebten, die kennen die wenigsten: „Kalt ist der Abendhauch/ Verschon uns, Gott! mit Strafen/ Und lass uns ruhig schlafen/ Und unsern kranken Nachbar auch!" Das Lied stammt aus einer Zeit, als die Menschen noch eine große Demut gegenüber dem Leben und der Göttlichkeit hatten.