Tom Hodgkinson
„Untätig zu sein ist der Quell aller guten Ideen.“
Zur Person
Tom Hodgkinson wurde 1968 in Newcastle geboren. Nach einem Cambridge-Abschluss zunächst in Gelegenheitsjobs und als freier Journalist tätig, gründete er 1991 in London das Magazin The Idler. Von 1995 bis 1997 war er für den Guardian im Bereich Editorial Development und als Kreativberater für Unternehmen wie Sony und Paramount tätig. Im Jahre 2002 kündigte er seine Jobs und zog aufs Land, wo er begann Bücher wie „Anleitung zum Müßiggang“ und „Die Kunst frei zu sein“ zu schreiben. 2011 eröffnete er im Londoner Westen mit seiner Ehefrau Victoria einen Buchladen, der ihm als Hauptquartier für sein Magazin und als Veranstaltungsort für Vorlesungen und Kurse dient. Seit 2013 lebt er mit seiner Familie wieder fest in London, damit seine Kinder dort zur Schule gehen können.
29.05.2015, London. Es ist ein überraschend warmer Nachmittag in einem nicht ganz so teuren Stadtteil im Westen der Stadt. Dort steht die Idler Academy, Refugium und Herzstück der modernen Müßiggangbewegung, deren Pate und Sprachrohr Tom Hodgkinson ist. Die Akademie ist ein gemütlicher Buchladen alter Schule mit geräumigem Keller, in dem Philosophievorlesungen stattfinden, und einem kleinen Garten, der dem eines modernen Epikurs gleichkommt. Der Garten dient uns als Ort für unser Gespräch, in dem wir uns ausschweifend über Hodgkinsons Auslegung des Müßiggangs, das Mittelalter, den Kapitalismus, und die Kunst, nichts zu tun, unterhalten.
Herr Hodgkinson, Sie gelten als einer der wichtigsten Vertreter der modernen Müßiggangbewegung. Ausschlaggebend war die Gründung Ihres Magazins „The Idler“ vor fast fünfundzwanzig Jahren. Was hat Sie damals dazu bewegt?
Tom Hodgkinson: Die Idee hatte ich, als ich damals frisch von der Uni kam, aus Cambridge, um genau zu sein, und zurück nach London zog. Dort arbeitete ich zunächst in einem Skateshop und später im legendären Plattenladen Rough Trade Records. Das war wirklich eine großartige Zeit, denn ich traf andere Leute als in Cambridge: Freigeister im positivsten Sinne. Sie brachten ihre eigenen kleinen Fan-Magazine heraus, entwarfen T-Shirts oder organisierten Partys in Clubs. Viele meiner damaligen Freunde hatten keine richtigen Jobs, wie man so schön sagt, sondern lebten von der Hand in den Mund. Aber sie hatten die beste Zeit ihres Lebens, und das fand ich attraktiv.
Sie haben sich trotzdem zunächst an einer Karriere versucht.
Ja, ich begann als freier Journalist zu arbeiten. Meine Mutter kannte den Herausgeber einer großen Tageszeitung, der mir eine halbe Stelle bei seinem Blatt anbot. Aber es war eine furchtbare Zeit für mich. Ich konnte zwar meine Rechnungen zahlen, doch die Arbeit war stinklangweilig und, wie ich fand, intellektuell weit unter meinem Niveau. Zum Beispiel musste ich aus alten Interviews mit B-Prominenten neue zusammenschustern. Erfüllt hat mich das nicht, und obendrein fühlte ich mich unterdrückt und kontrolliert. So ein kleiner Laden, wie ihn meine Frau und ich jetzt führen, ist ein viel angenehmerer Ort zum Arbeiten als ein Büro. Wir sind zwar ärmer und arbeiten wahrscheinlich mehr als ein Angestellter eines großen Konzerns, aber dafür sind wir freier.