
Silke Maier-Witt
„Ich habe gemacht, was ich machen sollte.“
Zur Person
Silke Maier-Witt (geboren am 21. Januar 1950) wuchs in Hamburg auf, studierte Medizin und Psychologie, schmiss das Studium nach einer verpassten Zwischenprüfung. Sie engagierte sich in linken Gruppen, war Mitglied eines der sogenannten Komitees gegen Folter von politischen Gefangenen, eines legalen Kreises von RAF-Sympathisanten. Am 7. April 1977 – dem Tag der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback durch die RAF – schloss sie sich der RAF an und tauchte unter. Sie zählte zu den meistgesuchten Terroristinnen der BRD. 1977 spähte sie die Fahrtstrecke von Hanns Martin Schleyer aus und leistete logistische Hilfe bei der Entführung, bei der vier seiner Begleiter ermordet wurden. Nach der Ermordung Schleyers informierte sie die Presse davon. 1979 stieg sie aus der RAF aus, konnte mit Hilfe der Stasi in der DDR untertauchen. Bis zur Wende lebte sie dort ein normales Arbeitsleben als Krankenschwester. Nach der Wende wurde sie verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nach fünf Jahren wurde sie vorzeitig entlassen. Noch als Freigängerin schloss sie ihr Psychologiestudium in Oldenburg ab, arbeitete dort in einem Haus der Caritas. Sie bildete sich als Friedensfachkraft weiter, ging in den Kosovo, wo sie für diverse Friedensprojekte arbeitet. Heute lebt sie die meiste Zeit in Skopje in Nordmazedonien.
19. Dezember 2024, Köln. Für die Weihnachtsfeiertage ist Silke Maier-Witt (75) von Skopje in Nordmazedonien nach Deutschland gereist. Eine gute Gelegenheit, beim Verlag Kiepenheuer & Witsch gegenüber des Kölner Hauptbahnhofs vorbeizuschauen, bei dem ihr Buch erscheint, das sie zusammen mit dem Journalisten André Groenewoud geschrieben hat. Der Titel: „Ich dachte, bis dahin bin ich tot“. Der Inhalt: ein Bericht über ihre Zeit als RAF-Mitglied und ihr Leben danach. Was den Text so besonders macht: Maier-Witt schont sich nicht, rechtfertigt ihre Taten nicht. Stattdessen versucht sie zu erklären, was kaum zu erklären ist. Ein Gespräch über Scham und Reue. Über die Gründe dafür, dass sich ihr Bauchgefühl nicht meldete, als sie es dringend benötigt hätte. Und über die Strukturen einer mörderischen Terrorbande, die operierte, wie es diejenigen taten, die man bekämpfte – die Nazis.
Silke Maier-Witt, Sie haben einmal gesagt, dass Sie auch deshalb über Ihre Vergangenheit reden, weil Sie dabei jedes Mal etwas Neues darüber erfahren. Welche Erkenntnis hat sich beim Schreiben Ihres Buches ergeben?
Ich habe mich immer wieder neu über mich selbst erschrocken. Über meine Ignoranz. Angefangen mit dem Tag, an dem ich in die RAF eingetreten bin. Der ja auch der Tag war, an dem die RAF den Generalbundesanwalt Siegfried Buback ermordete.
Das war am 7. April 1977. Der Auftakt des Terrorjahres 1977, das in den „Deutschen Herbst“ mündete.
Beim Erinnern und Darüber-Schreiben habe ich in aller Schärfe noch einmal erkannt, wie ich ignorierte, was da passierte.