Serdar Somuncu
„Aufrichtigkeit ist Höflichkeit.“
Zur Person
Serdar Somuncu (geboren am 3. Juni 1968 in Istanbul) ist Satiriker, Autor, Musiker und Schauspieler. Er studierte Musik, Schauspiel und Regie in Maastricht und Wuppertal. Dem breiten Publikum wurde er 1996 bekannt, als er auf der Bühne Textstellen aus Hitlers „Mein Kampf“ vortrug und inszenierte, mit dem Programm trat er unter anderem vor ehemaligen KZ-Häftlingen auf. 2011 brachte Somuncu sein erstes Musikalbum unter dem Titel „Dafür kommt man in den Knast“ heraus. Seit 2015 ist er beim Nachrichtensender „n-tv“ in seiner Talksendung „So! Muncu!“ zu sehen. Seit 2016 moderiert er die zweistündige Radiosendung „Die Blaue Stunde“, die auch als Podcast erscheint. Zur Bundestagswahl 2017 trat er als Kanzlerkandidat für die Satirepartei „Die Partei“ an.
05.03.2014, Köln. Serdar Somuncu hat vergessen, dass am Aschermittwoch noch nicht alles vorbei ist. In dem Restaurant, das er für das Treffen gewählt hat, wird kollektiv Fisch geordert, die Karnevalsstimmung hängt noch in der Luft. Somuncu hasst das. So sehr, dass er darüber sogar einmal ein Buch geschrieben hat, „Karneval in Mio“, eine 111-seitige Tirade aus der Isolation des sich Verbarrikadierenden. Doch Somuncus derbe Sprache dient vor allem dem Wunsch, Leser und Zuschauer aus der Konsensfalle zu locken. Im Gespräch ist er extrem höflich, offen und stellt beinahe so viele Gegenfragen, wie er Antworten gibt.
Herr Somuncu, wie schwer war es für Sie in diesem Jahr, Karneval aus dem Weg zu gehen?
Serdar Somuncu: Sehr schwer. Ich war eigentlich auf der Flucht, so wie immer in dieser Zeit. Ich musste aber aus privaten Gründen zurückkommen, dummerweise am Karnevalssamstag. Das heißt also, dass ich das volle Programm miterlebt habe. Bis Dienstag. Da denkt man, dass jetzt nur noch dieser scheiß Nubbel verbrannt wird, aber in Wirklichkeit geht die Party erst richtig los. Die ganze Nacht Gegröle und kotzende Leute auf der Straße. Und heute Morgen wurde dann die Baustelle vor meinem Haus wieder eröffnet.
Also stört Sie an Karneval vor allem der Geräuschpegel?
Furchtbar, ja. Ich habe zuhause gesessen und gedacht: Ey, das klingt wie Reichspogromnacht! Dieses Getrommel und die Schreie… als wäre da draußen ein SA-Trupp unterwegs. Ein KZ-Überlebender würde wahrscheinlich den totalen Flashback kriegen. Für mich hat das etwas sehr Bedrohliches.