Sawsan Chebli
„In dem Moment, in dem ich laut wurde, hat der Hass angefangen.“
Zur Person
Sawsan Chebli (geboren am 26. Juli 1978 in Berlin) kam als zwölftes Kind einer geflüchteten palästinensischen Familie zur Welt. Sie studierte Politikwissenschaften und trat 2001 in die SPD ein. 2010 wurde sie Grundsatzreferentin für Interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. 2014 wechselte sie als stellvertretende Sprecherin des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier ins Auswärtige Amt. Von 2016 bis 2021 war Chebli die Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. Auf Twitter hat sie über 120.000 Follower. Sie lebt in Berlin, ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.
3. März 2023, Berlin. Sawsan Chebli behält während des Gesprächs den Mantel an. Im vollbesetzten Café im Literaturhaus Berlin wurde auf ihr Bitten ein Nebenraum geöffnet, in dem eigentlich nicht bedient werden sollte, entsprechend kühl ist es dort. Dafür herrscht weitestgehend Ruhe. Genau die richtige Atmosphäre für einen konzentrierten Austausch anlässlich ihres Buches „Laut“. Die SPD-Politikerin beschreibt darin den Hass, der im Netz regelmäßig auf sie einprasselt – und schlägt Strategien vor, um ihm entgegenzuwirken. Sie spricht auf den Punkt, bleibt stets sachlich. Selbst wenn es um Themen geht, die eigentlich zum Himmel schreien.
Sawsan Chebli, wann haben Sie zuletzt einen Shitstorm erlebt?
Das ist noch gar nicht so lange her. Am Tag der Wahlwiederholung in Berlin hatte ich einen Tweet abgesetzt mit dem Tenor, dass es den CDU-Wähler:innen scheinbar egal war, wie rassistisch sich Teile der Partei im Vorfeld geäußert haben: mit der Forderung, die Vornamen von Verdächtigen der Silvesterkrawalle zu veröffentlichen, oder den Aussagen von Friedrich Merz über die kleinen Paschas aus migrantischen Familien. Ich habe allerdings nie behauptet, dass alle Menschen, die die CDU gewählt haben, Rassisten seien. So wurde es aber unter anderem von der Bild-Zeitung hingestellt, auf deren Titelseite ich mich damit dann wiederfand.
Und die Reaktionen waren …?
Heftig! In diesem Fall hat mich nicht nur der Hass von Rechten und anderen klassischen Hetzern getroffen, sondern auch von vielen CDU-Wähler:innen die sich gekränkt gefühlt, mich aber im gleichen Atemzug beleidigt haben. Meine Inbox war jedenfalls zum Bersten gefüllt mit Diffamierungen, Rassismus, Sexismus.