Sarah Kuttner

Sarah Kuttner

„Es ist kacke, an einem Grab zu stehen und sauer zu sein.“

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  • Laura Hoffmann
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Zur Person

3. September 2025, Berlin. Am Eingang zur Toilette im Büro des S. Fischer Verlags laufen wir beinahe ineinander. „Haben wir gleich das Interview?“, fragt Sarah Kuttner. „Ja“, antworte ich. „Hoffentlich habe ich nicht auf die Klobrille gepullert“, sagt Kuttner und läuft Richtung Konferenzraum. Barfuß. Ihre Sandalen liegen noch unterm Tisch. Ich werfe einen Blick auf die Klobrille: alles sauber. Gleich fünf Interviewtermine zu ihrem neuen Buch hat sie heute. Später, wenn alle vorbei sind, wird sie mit Schweißperlen auf der Stirn eine Story auf Instagram posten und sagen: „Es war schön und auch sehr anstrengend und jetzt möchte ich schlafen.“ Das wird sie dann aber doch nicht tun, sondern zuerst vom Kampf zwischen einem Frosch und einer Ringelnatter in ihrem Teich zu Hause erzählen, bevor sie in den folgenden sieben Insta-Stories die Interviews debrieft. Was sie gesagt hat, was sie besser gesagt hätte, was sie vergessen hat zu sagen. Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre Gedanken zu sortieren. Das laute Aussprechen kann eine hilfreiche Strategie sein, um Situationen besser zu verarbeiten. Über den Umgang mit ADHS sprechen wir auch im Interview. Außerdem über ihren Garten, den Tod – und natürlich Kuttners neues Buch „Mama & Sam“.

Sarah Kuttner, Sie sind in den sozialen Medien sehr präsent und posten fast täglich Instagram-Stories. Gleichzeitig sind Sie zurückhaltend, was Privates angeht. Von Ihrer Hochzeit erfuhr man nur durch ein Foto, auf dem Sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „married AF“ trugen. Den Tod Ihrer Mutter erwähnten Sie in einem Nebensatz unter einem Bild von Ihrem Geburtstagskuchen. Was steckt hinter diesem Pendeln zwischen Nähe und Distanz?

Ich möchte viel zeigen, aber nicht alles. Die Menschen, die mir nahestehen, will ich raushalten. Deshalb poste ich Fotos so, dass zufällig das Gesicht von meinem Mann abgeschnitten ist oder man nur seinen Bart sieht. Ich zeige den Teil, für den ich verantwortlich bin. Und bei meiner Mutter war es einfach ein Gefühl, das ich teilen wollte. Wie absurd es ist, einen Tag nach meinem Geburtstag die Frau zu beerdigen, die mich geboren hat. Gleichzeitig will ich nicht dieses Klatschbedürfnis befriedigen und wie die Bild-Zeitung sein. Aber ich will auch nicht so tun, als wäre das Leben immer tippitoppi. Das ist schon auch ein bisschen Selbstschutz. Ich gebe so viel preis, wie ich bereit bin, mit dem Backlash umzugehen.

Das heißt?

Ich will nicht bei Fehlern erwischt werden, aber auch nicht so tun, als wäre ich schlauer, schöner oder belesener, als ich bin. Das würde mir Stress machen, weil ich dann lügen müsste. Und wer lügt, muss aufpassen, dass er sich nicht verrät. Am einfachsten ist es, ehrlich zu sein. Und die ehrliche Variante ist: Ich habe auch Sorgen, bin unsicher, habe Ängste und hatte eine blöde Kindheit. Der Selbstschutz besteht darin, das nicht zu verstecken, sondern von vornherein zuzugeben.

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