Sante D'Orazio

Sante D'Orazio

„Fotografiert man jemanden in einer unschmeichelhaften Position, verachtet man die Person.“

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Zur Person

04.06.2004, Köln. In der Galerie Jablonka räkelt sich Fotograf Sante D’Orazio – ganz in schwarz gekleidet und mit gesundem Selbstbewusstsein ausgestattet – in einem Sessel. Ab und an fährt er sich mit der Hand durchs Haar; durch die Glastür des Büros schimmern seine ausgestellten Arbeiten.

Herr D’Orazio, Sie sind in Brooklyn, New York, groß geworden und haben dort am College zunächst Malerei und bildende Kunst studiert. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Sante D’Orazio: Als ich aufwuchs, lebte ein alter Gentleman bei mir um die Ecke, der meine Familie kannte. Als ich 17 war, sah mich der alte Herr immer mit meiner großen Mappe zur Kunstschule gehen und war sehr überrascht, da die meisten Jugendlichen sich nicht besonders für Kunst interessierten. Er war Straßenfotograf und gehörte der New Yorker Schule der Straßenfotografie an. Er fragte mich, ob ich Fotografie lernen wolle. Am Wochenende hat er mich oft zu Plätzen wie dem Vergnügungspark Coney Island, dem botanischen Garten oder dem Zoo mitgenommen. Orte, an denen sich viele Menschen befanden. Er wurde so etwas wie mein Adoptivvater – mein richtiger Vater starb, als ich 16 war. Er meinte zu mir: „Die Technik musst du alleine lernen. Ich bringe dir bei, wie du sehen musst.“ Vier Jahre lang war Lou Bernstein mein Mentor.

Lou Bernstein vertrat als Mitglied der New York Photo League, einer linken Bewegung, einen sozialkritischen Ansatz. Sie selbst sind aber im Bereich der Modefotografie tätig, wo es meist um oberflächliche und inszenierte Schönheit geht.

Die New York Photo League entstand in den Dreißigern, zur Ära der Depression, und versuchte, die Aufmerksamkeit auf den Arbeiter zu lenken. Das Thema waren immer Menschen und die Beziehung des Fotografen zu ihnen. Meinen kulturellen Hintergrund trennen immerhin 40 Jahre von Bernsteins. Ich bin ein Produkt unserer Gesellschaft, unserer Kultur. Aber was wir teilen, ist der menschliche Kontakt mit dem Subjekt. Darin liegt immer etwas Respektierendes. Ich möchte nicht weniger aus meinem Subjekt machen, will es nicht erniedrigen. Das ist die Sache, die ich mit Bernstein teile. Bis heute ist das, was er mir beigebracht hat, für mich gültig.

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