
Rutger Bregman
„Wir müssen Erfolg neu definieren.“
Zur Person
Rutger Bregman, geboren 1988 in Renesse, hat Geschichte in Utrecht und Los Angeles studiert und begann, als Journalist im Ressort „Fortschritt“ für die niederländische Nachrichtenplattform De Correspondent zu arbeiten. Er ist Autor mehrerer Sachbücher zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen. Sein 2014 erschienenes Werk „Gratis geld voor iedereen“ wurde ein Bestseller, der 2017 unter dem Titel „Utopien für Realisten“ auch auf Deutsch erschien. Im 2019 veröffentlichten Buch „Im Grunde gut“ trägt er Beispiele aus der Menschheitsgeschichte zusammen, in denen Menschen kooperiert haben, statt sich von Konkurrenz leiten zu lassen. Bregman ist Mitglied von „Giving What We Can“, einer Gemeinschaft von Menschen, die sich verpflichtet haben, mindestens zehn Prozent ihres Einkommens an effektiv-altruistische Hilfsorganisationen zu spenden.
4. November 2024, Berlin/New York. Der niederländische Historiker und Autor Rutger Bregman schaltet sich aus New York zum Gespräch. Sein neues Buch „Moralische Ambition“ erscheint in den USA zwar erst im kommenden Jahr, doch er arbeitet gerade daran, hier einen Ableger seiner „School for Moral Ambition“ zu gründen. Was sich dahinter verbirgt und wie Menschen ihr Talent für das Gute einsetzen können, beschreibt Bregman in der folgenden Stunde so freundlich wie eloquent. Man merkt: Dieser Mann ist ein talentierter Geschichtenerzähler.
Rutger Bregman, was ist in Ihren Augen ein guter Mensch?
Das kommt darauf an, wie hoch Sie die Messlatte hängen wollen. Wenn von guten Menschen die Rede ist, denken wir oft in moralischen Minimalstandards: nett und loyal zu sein, vielleicht wohltätige Arbeit zu leisten, zu Weihnachten etwas Geld zu spenden, zur Wahl zu gehen, kurzum, ein guter Bürger, Freund und Nachbar zu sein. Aber was, wenn wir versuchen, unser moralisches Maximum zu finden, also so viel Gutes wie nur irgend möglich zu tun? Denn das ist es, was wir heute brauchen.
Woran denken Sie?
Wir stehen als gesamte Spezies vor enormen Herausforderungen. Unsere Demokratien sind bedroht, der Klimakollaps steht bevor, die Biodiversität nimmt rapide ab, es besteht das Risiko einer weiteren Pandemie, die geopolitische Situation sieht nicht gerade gut aus. Auf all das sollten wir uns fokussieren. Ich will damit nicht sagen, dass jemand, der keine moralische Ambition hat, kein guter Mensch sein kann. Moral ist nicht alles im Leben. Ich würde mich selbst als Pluralisten bezeichnen. Ich bin Vater und werde es bald zum zweiten Mal, ich verbringe gern Zeit mit Freunden. Aber ich bin auch ziemlich ehrgeizig und habe eine Karriere. Es geht darum, wie man seine Karriere einsetzen kann, um so viel Gutes wie möglich zu tun.