Rüdiger Safranski

Rüdiger Safranski

„Wir sind ziemlich gefährliche Tiere.“

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  • Enno-Kapitza
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Zur Person

08.08.2017, München. Am Vorabend liest Rüdiger Safranski aus seinem jüngsten Buch über die Zeit. Der Eintritt ist frei, es gibt ein Drängeln um die viel zu wenigen Sitzplätze, das vorwiegend ältere Publikum staut sich bis ins Foyer. Der Schriftsteller schaut mehrmals auf die Uhr. Nach exakt einer Stunde ist Schluss, Fragen aus dem Publikum stellt er sich nicht mehr. Am nächsten Tag, in einem Hotel nahe der Staatsoper, steht er uns Rede und Antwort. Eine winzige Suite, grau in grau, Baustellenlärm dröhnt durch das offene Fenster. Safranski bittet darum, es zu schließen, er höre auf dem linken Ohr nicht mehr so gut. Nachdem geklärt ist, wer wo sitzt, damit er alles gut verstehen kann, reden wir über die Zeit und die Demokratie. Hitzig wird es, als es um die Flüchtlingsdebatte geht.

Herr Safranski, wo mussten Sie zuletzt so lange warten, dass Sie an die Grenze Ihrer Geduld kamen?

Das muss beim Warten auf einen Flug von Basel nach Edinburgh gewesen sein. Das Übliche, man wird über die Verzögerung nicht genau informiert, und das ist besonders ärgerlich. Der Wartende bekommt keine Fristen, an denen er sich orientieren kann. Er sitzt nur herum und fragt sich, ob er vielleicht eine Ansage überhört hat. Mitunter kommen Zweifel auf, ist er auf diesem Flugsteig noch richtig oder soll er woanders hin? Es ist nicht möglich, sich in Ruhe in ein Buch zu vertiefen, weil man immer Acht geben muss. Dieser zum Teil zunehmend schlechte Service beim Fliegen hat mich dazu gebracht, möglichst nicht das Flugzeug zu nehmen, sondern, wenn es sich machen lässt, die Eisenbahn. Besonders innerhalb Deutschlands, weil es kaum länger dauert. Die Bahn ist besser als ihr Ruf.

Die bleibt mitunter auf freier Strecke stehen.

Idealisieren will ich da gar nichts, auch was den Mangel an hilfreichen Durchsagen betrifft. Das müsste doch jeder verstehen, dieses Elementarpsychologische. Wenn man sagt, was Sache ist, warum man verspätet ist, dann ist die Hälfte des Problems weg, dann kann man sich als Wartender darauf einstellen. Das ärgert mich am meisten, dass diese Hilfestellung, wie man das Warten sinnvoll bewältigen kann, nicht gegeben wird. Andererseits hatte ich mal eine Fahrt, da hat ein Bahnmitarbeiter des Guten zu viel getan, der hat einen vollgeplaudert auf diese lässige, nicht amtliche Weise. Ich vermute, da hat es mal einen Kursus gegeben. Aber dieser Lernstoß ist verpufft, und in der Bahn ist wieder Stummheit angesagt.

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