Roy Choi

Roy Choi

„Die Kochkunst hatte schon immer eine philosophische Komponente.“

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  • Promo, Eric Shin
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Zur Person

14.4.2015, Los Angeles. Roy Choi hat seine persönliche Version des Amerikanischen Traums erlebt: Der 45-jährige stand gleich zweimal vor dem Nichts und kam zweimal durch sein kulinarisches Können wieder auf die Beine. Jetzt gibt es sogar eine Leinwandadaption seines Lebens. Was in „Kiss The Cook“ den Maßgaben der traditionellen Feelgood-Comedy entspricht, war im echten Leben anstrengender aber auch erfüllender. Kein Wunder, dass Roy Choi seine Kochkünste ab und zu mit Kampfsport vergleicht. Im Interview spricht der Erfinder der Food-Truck-Bewegung über Fusion Cuisine, den Geschmack von Los Angeles und demokratische Snacks.

Herr Choi, im Film „Kiss The Cook“, der lose auf Ihrem bisherigen Lebenslauf basiert, heißt es an einer Stelle, das Kochen sei wie eine leere Leinwand für die eigenen Träume. Können Sie sich an die Träume erinnern, die Sie für den Beruf des Kochs begeistert haben?

Roy Choi: Als ich mit dem Kochen anfing, hatte ich tatsächlich eher wenige Träume. Ich wollte vor allem mein Leben auf die Reihe bekommen und mit einer ziemlich belasteten Vergangenheit abschließen – meine Jugend war lange Zeit ein einziges Auf und Ab. Ich bin mit dem Restaurantbetrieb meiner Eltern aufgewachsen und dadurch schon früh mit Essen und Kochen in Kontakt gekommen. Das war im Grunde gut, aber als Teenager habe ich dagegen aufbegehrt, mir war nach einem anderen Betätigungsfeld. Leider bin ich anschließend vor allem kriminell und drogensüchtig geworden. Mit Mitte Zwanzig habe ich dann festgestellt, dass ich eigentlich nichts richtig konnte: Ich konnte weder singen, noch rappen, noch Musik machen – das war eine sehr frustrierende Erkenntnis, weil ich mich damals selbst durchaus als Künstler gesehen habe. (überlegt) Ich habe dann in jedem Fall gemerkt, dass die Kochkunst eigentlich wie für mich gemacht ist, denn das war die künstlerische Form, in der ich mein Talent am besten zum Ausdruck bringen konnte.

Was hat Sie an der Kochkunst so fasziniert?

Es war vor allem das Gefühl von Ordnung, das meinem Leben damals völlig abging. Für mich war das Kochen wie eine Art spirituelle Militärakademie – nichts anderes gab mir diese Ruhe oder diese Disziplin. Vorher rebellierte ich gegen sämtliche Autoritäten, ich wollte auf niemanden hören und legte bei allem eine Scheißegal-Haltung an den Tag. Kochen war das einzige, was mich wieder zum Zuhören brachte. Es hatte eine so strukturierende Wirkung für mich wie für andere vielleicht ein Kampfsport. Plötzlich war die Konzentration wieder da, und das lag nicht nur an der Struktur, sondern auch am ganzen Ambiente einer Küche: Es war der richtige Ort für Herausforderungen. Selbst als ich schon lange Chefkoch war, wollte ich nach wie vor jeden Tag besser werden und jeden Tag etwas lernen, das ich bis zum Tag davor nicht konnte. Das ist im Grunde das, worauf es in diesem Beruf immer und immer wieder ankommt: neue Fähigkeiten zu erlernen, neugierig zu bleiben und wie ein Schwamm alles aufzunehmen, was man von anderen lernen kann.

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