Ronald Zehrfeld
„Wenn sich etwas gut anfühlt, dann hinterfragt man nicht.“
Zur Person
Ronald Zehrfeld wurde 1977 in Ostberlin geboren. Er ging als junger Judoka auf eine Kinder- und Jugendsportschule und errang als Elfjähriger einen DDR-Meistertitel. Nach dem Mauerfall hat er 1996 Abitur gemacht und den Zivildienst geleistet, ehe er ein Germanistik- und Politologiestudium begann. Durch die Teilnahme an einem Theaterworkshop wurde sein Interesse an der Schauspielerei geweckt und er bewarb sich erfolgreich an der Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“. Bereits in der Zeit wurde er von Peter Zadek für das Deutsche Theater in Berlin entdeckt. Zehrfeld spielte später an mehreren Theatern und bald auch in Filmen, unter anderem in Dominik Grafs Kinofilm „Der Rote Kakadu“ und der ebenso preisgekrönten Krimiserie „Im Angesicht des Verbrechens“. Er spielte wichtige Figuren in renommierten Produktionen wie „Barbara“, „Weissensee“ oder „Der Staat gegen Fritz Bauer“, wofür er den Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Bester Nebendarsteller“ erhielt. Ronald Zehrfeld ist Vater einer Tochter und lebt in Berlin.
28. Oktober 2024, Berlin. Treffpunkt ist das Audible-Studio in Berlin-Mitte, wo das Hörspiel „1984“ nach dem gleichnamigen dystopischen Roman von George Orwell aufgezeichnet wurde, bei dem Ronald Zehrfeld eine Hauptrolle einnimmt. Nachdem er noch fix eine geraucht hat, kommt der Schauspieler in den Studiovorraum. Im Gespräch zeigt er sich gedankenschnell – und sprunghaft, manchmal drohen seine Sätze gar, sich zu überschlagen. Beim Blick auf die Brillentasche des Interviewers, die das Emblem des Fußballklubs Union Berlin zeigt, erinnert Zehrfeld sich an seine Kindheit im Arbeiterviertel Schöneweide: „Ich fand es völlig absurd, wenn die Unioner gegen die BFC-Fans auf der Straße kämpften und erwachsene Männer eine Straßenbahn umschmissen. Das war die reine Anarchie, werde ich nie vergessen.“
Ronald Zehrfeld, welche Erinnerungen haben Sie an das Jahr 1984, in dem Orwells gleichnamiges Buch spielt?
Ich war damals sieben Jahre alt und machte mit meinen Eltern Urlaub in Sotschi am Schwarzen Meer. Sie hatten die Reise in das sowjetische Urlaubsparadies als Auszeichnung bekommen. Es war ein sehr schöner Urlaub. Nach meiner Erinnerung gab es zu der Zeit noch alles in der Sowjetunion, dem sogenannten großen Bruder. Später ging es mit dem Land ja ziemlich bergab.
1984 fanden in Los Angeles auch die Olympischen Sommerspiele statt, die als Revanche für den westlichen Boykott der Moskauer Spiele 1980 vom Ostblock boykottiert wurden. Sie selbst betrieben Judo auf Leistungsniveau. Träumten Sie als junger Judoka von Olympia?
Oh ja. Mein Traum war, irgendwann mal für die DDR kämpfen zu können. Ich bin klassisch DDR-mäßig sozialisiert, war Jungpionier, Thälmann-Pionier. In der Schule hatte man mein Sporttalent entdeckt. Im Leistungssport wurde dann früh selektiert. Das Sportsystem war staatlich organisiert. Vieles war aufgezwungen, was ich während meiner Zeit auf der Kinder- und Jugendsportschule aber nicht hinterfragt habe. Ich war eingebettet in das System und fein damit. Wenn sich etwas gut anfühlt, dann hinterfragt man nicht.