Rachel Hanan
„Niemand kann das verstehen, niemand kann mich verstehen.“
Zur Person
Rachel Hanan (geboren 1929) überlebte als Teenagerin vier Konzentrationslager – darunter Auschwitz-Birkenau, das größte Vernichtungslager des Naziregimes. Fast ein Jahr lang wurde sie von den Nazis gefangen gehalten und musste Zwangsarbeiten verrichten, bis sie schließlich von der Roten Armee befreit wurde. 1947 wanderte Hanan nach Haifa im heutigen Israel aus, wo sie heiratete, zwei Söhne bekam und bis heute lebt. Sie arbeitete über 30 Jahre lang als Sozialarbeiterin und leitete später einen Wohlfahrtsverband. Immer wieder begleitete sie Jugendgruppen nach Auschwitz, um dort ihre Geschichte zu erzählen. Zuvor hatte sie bis 1993 über ihre Vergangenheit geschwiegen.
8. März 2023, Haifa. Rachel Hanan, 93 Jahre alt, sitzt neben ihrem Sohn Yaron auf dem Sofa. Er wird während des Zoom-Gesprächs ins Englische dolmetschen. Sie wirkt entspannt, obwohl ihre Lebensgeschichte keine Normalität mehr zulässt. An ihrem 15. Geburtstag kamen sie und ihre Familie im deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an, ihre Eltern sah sie an diesem Tag zum letzten Mal. Nach jahrzehntelangem Schweigen spricht sie als Zeitzeugin über das, was sie unter dem NS-Regime erlebte.
Rachel Hanan, wir werden heute über das Grauen der NS-Zeit sprechen. Was fühlen Sie vor einem Interview wie diesem?
Nachdem ich 50 Jahre lang geschwiegen habe, hat es sich befreiend angefühlt, endlich über meine Vergangenheit zu sprechen. Die Interviews, aber auch mein Buch helfen mir dabei, das Erlebte zu rekapitulieren und zu verarbeiten. Das ist nicht nur für mich wichtig, sondern auch für andere.
Wurde es im Laufe der vergangenen Monate für Sie zu einer Routine, darüber zu sprechen? Oder bleibt es schwierig?
Nach den Interviews holen mich immer die Erinnerungen ein über das, was ich erzählt habe. Ich bekomme dann Flashbacks in die Vergangenheit, vermisse meine Eltern und empfinde Heimweh. Manchmal fühle ich mich auch einen Tag später noch bedrückt. Es ist mir aber zu wichtig, darüber zu sprechen, als dass ich damit aufhören könnte.