Norbert Witte
„Wenn man eine Vision mit aller Kraft durchsetzt, kann man auch mit aller Kraft aufs Maul fallen.“
Zur Person
Norbert Witte wurde 1955 in Landshut geboren. Schon sein Vater und Großvater waren Schausteller. Anfang der 80er kaufte er sich mit seiner Frau die erste eigene Achterbahn. Das Paar baute sich schnell einen großen, finanziell gut laufenden Betrieb auf. Nach einem Unfall mit einer seiner Achterbahnen bekam er in Deutschland zunächst keine Zulassung mehr, weshalb sie mit ihren Karussellen nach Jugoslawien und Italien auswichen. 1991 dann der große Plan: der Aufbau des größten Vergnügungsparks Deutschlands - doch das Vorhaben scheiterte. 2002 setzte er sich mit seiner Familie und sechs Fahrgeschäften nach Peru ab. Auch dieses Geschäft ging schief, Witte schickte die Familie nach Hause, sein Sohn Marcel und er blieben in Lima für einen letzten Coup: In den Masten eines seiner Fahrgeschäfte sollten 180 Kilo Kokain nach Deutschland geschmuggelt werden. Der Deal flog auf. Witte wurde im November 2003 verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, 2008 wurde er nach vier Jahren vorzeitig entlassen. Marcel traf es härter: Er bekam 20 Jahre. Norbert Witte, mittlerweile geschieden, lebt heute in zwei Wohnwagen auf dem Gelände des Spreeparks. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit dem Bau von Jahrmarktsbuden. Der Dokumentarfilm „Achterbahn“ von Peter Dörfler über sein Leben läuft seit Anfang Juli in den Kinos.
03.07.2009, Berlin. Norbert Witte: Der Mann, der im Jahr 2001 mit dem Spreepark im Berliner Pläntnerwald sensationell pleite ging und nach Peru flüchtete – wo er sich in Drogengeschäfte verwickeln ließ, wegen derer sein Sohn dort noch immer im Gefängnis sitzt. Witte selbst ist zurückgekehrt und nach vier Jahren wieder auf freiem Fuß. Er lebt in zwei Wohnwagen genau hier, mitten im zerfallenen Freizeitpark, zwischen einem still gelegten Riesenrad und umgestürzten Dino-Figuren. Laut und schelmisch, ganz Schausteller von Welt. Man merkt: Er ist es gewöhnt, sich zu rechtfertigen, und er glaubt an seine Version der Dinge. Er bittet an eine Plastik-Garnitur, seine Freundin serviert Filterkaffee. Norbert Witte raucht Kette. Die Vögel zwitschern. Ein Gespräch über Reue und Seelenfrieden.
Herr Witte, wieder hier zu sein – nicht nur in Deutschland, in Berlin, in Freiheit, sondern auch auf dem Gelände des Spreeparks: Ist das eine Art Heimkehr für Sie?
Norbert Witte: Ich bin nur richtig widerwillig hergezogen. Das tut ja auch weh, es ist nicht so, dass ich das lustig finde. Wenn alles abgewickelt ist, dann bin ich hier weg, dann ist das Thema für mich erledigt.
Was genau tut daran so weh? Dass Sie sozusagen mitten im eigenen Scheitern hocken?
Als ich hier gegangen bin, hätte man den Park innerhalb von vier Wochen wieder aufmachen können. Wenn Sie jetzt durchgehen, finden Sie nicht mal mehr ein Stück Kupfer. Alles geplündert, zerschlagen, kaputt.