Nihad Kreševljaković

Nihad Kreševljaković

„Ich will das Erbe von Kunst im Belagerungszustand bewahren.“

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Zur Person

30.04.2014, Sarajevo. „Are you a Smoker?“, lautet die erste Frage von Nihad Kreševljakovic, dem Leiter des Sarajevo War Theatres (SARTR). Andernfalls könnte das Interview kaum in seinem schwer vernebelten Büro im ersten Stock stattfinden. An den Wänden hängen Theaterplakate, auf dem Schreibtisch liegt zwischen vielen Stapeln ein Bildband, den Kreševljakovi? mit herausgegeben hat: mit Fotos der über 1600 Kinder, die während des Bosnienkrieges in den Neunzigerjahren getötet wurden. Im Laufe des zweistündigen Gesprächs redet sich der Theatermann immer mehr in Rage. Das Gefühl, vom Westen im Stich gelassen worden zu sein, sitzt in Bosnien auch im Gedenkjahr des Ersten Weltkriegs tief.

Herr Kreševljakovic, haben die Menschen im Krieg nicht andere Sorgen, als ins Theater zu gehen?

Nihad Kreševljakovic: Jeder Künstler, jeder Kunstprofessor wird Ihnen versichern, wie wichtig die Kunst ist. Wir glauben als menschliche Wesen daran, dass sie eine Bedeutung hat, aber auf abstrakter Ebene. Wir hier in Sarajevo haben die Erfahrung gemacht, dass Kunst tatsächlich ein menschliches Grundbedürfnis ist, wie Essen und Trinken. Die kulturelle Szene der Stadt war während des Krieges in den Neunzigern reicher denn je. Wir hatten an die 2000 Performances, Tausende Ausstellungen, zwei Filmfestivals. Das alles war Teil des täglichen Lebens.

Das Sarajevo War Theatre entstand schon bald nach Beginn der Belagerung der Stadt durch die serbische Armee. Wer die Vorstellungen sehen wollte, riskierte, auf dem Weg dorthin oder auf dem Nachhauseweg von Scharfschützen erschossen zu werden. Haben Sie das Theater im Krieg selbst besucht, oder waren Sie noch zu jung damals?

Klar habe ich das Theater besucht. Das SARTR wurde im Mai 1992 gegründet. Ich bin 1973 geboren, so jung also auch nicht mehr. Ich war 18, als der Krieg losging. Und es gibt einige Gründe, warum ich mich vor zweieinhalb Jahren als Direktor hier beworben habe. Der Hauptgrund: Ich will dieses Erbe von Kunst im Belagerungszustand bewahren. Ich glaube, das ist eine der bemerkenswertesten Erfahrungen, die wir aus diesem Krieg mitgenommen haben. Hier ging es nicht um rote Teppiche oder darum, gesehen zu werden.

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