Nick Cave
„Ich bin ein erloschener Atheist.“
Zur Person
Nick Cave (bürgerlich Nicholas Edward Cave) kam am 22.9.1957 in Warracknabeal, einer kleinen Ortschaft im australischen Bundesstaat Victoria, als Sohn eines Lehrers und einer Bibliothekarin zur Welt. Bevor er sich ab 1977 als Frontmann der Post-Punk-Band The Birthday Party erste Meriten in der lokalen Szene Melbournes verdiente, versuchte er sich eine Zeit lang als Kunststudent. Es folgten gemeinsame Umzüge nach London, später nach West-Berlin.1982 löste Cave die Gruppe schließlich auf und gründete ein Jahr darauf gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten Mick Harvey sowie dem Gitarristen Blixa Bargeld Nick Cave and The Bad Seeds, mit denen er bis heute in wechselnden Besetzungen weltweit erfolgreich aktiv ist. Nebenher reüssiert der Wahl-Brite, der laut Eigenaussage zwanzig Jahre heroinabhängig war, als Autor, Filmmusik-Komponist, Schauspieler und neuerdings auch als Keramiker. Im Jahr 2015 stürzte sein damals 15-jähriger Sohn Arthur im LSD-Rausch von einer Klippe in den Tod – ein Schicksalsschlag, dem in kurzer Folge einige weitere folgen sollten und der ihn, so Cave, „von Grund auf veränderte“ (zuletzt nahm sich 2022 sein Sohn Jethro das Leben). Dieser Tage erscheint mit „Wild God“ das mittlerweile 18. Album der Bad Seeds. Cave lebt mit seiner zweiten Frau Susie Bick sowie dem gemeinsamen Sohn Earl in Brighton und London.
28. Mai 2024, London. Harte Drogen hin, Schicksalsschläge her: Nick Cave sieht man seine 66 Lebensjahre nicht an. Wie immer gewandet in feinstem britischen Zwirn, empfängt der australische Musiker, der seit Corona nun auch noch als Keramiker reüssiert, bei Tee und Nieselwetter im Edelbezirk Chelsea. Politisches und allzu Offensichtliches sind nicht so seins, aber sobald es tiefgründiger wird, erweist sich Cave als ebenso redegewandter wie hellwacher Gesprächspartner. Mit der höflichen Bitte nach „einem einzelnen Keks“ versetzt er aber zunächst die Hälfte des Hotelpersonals in Aufruhr.
Nick Cave – ich muss zugeben, dass ich mit gemischten Gefühlen in dieses Gespräch gehe. Einerseits ist da Ihre fast demonstrativ zur Schau gestellte jahrelange Abscheu gegenüber Presseinterviews, andererseits üben Sie sich spätestens seit dem Verlust Ihrer zwei Söhne auf einigen anderen öffentlichen Kanälen in schonungsloser Transparenz. Ziehen Sie es vor, die Agenda selbst zu bestimmen?
Könnte man so sagen, ja. Das soll jetzt nicht despektierlich klingen, aber in der Vergangenheit haben mich die allermeisten Interviews zutiefst angeödet. Auf langweilige Fragen gab es langweilige Antworten an ebenso langweiligen, nichtssagenden Orten. Das traditionelle Rock’n‘Roll-Interview in all seiner banalen Oberflächlichkeit und mit seinen vorweggenommenen Antworten, so wie es auch heute noch bei den meisten Ihrer Kollegen en vogue ist, gibt mir schlicht und einfach nichts mehr. Nach dem Tod meines Sohnes Arthur im Jahr 2015 habe ich schließlich ganz damit aufgehört. Sowohl meine Online-Präsenz „The Red Hand Files“, in deren Rahmen ich persönlich Fragen meiner Fans beantworte, als auch die „In Conversation“-Events und zuletzt „Glaube, Hoffnung und Gemetzel“, mein in Buchform veröffentlichtes ausführliches Gespräch mit Sean O’Hagan, haben die Dinge jedoch grundlegend verändert.
Inwiefern?
Die Fragen sind seither anders. Fundamentaler. Es geht gewissermaßen ans Eingemachte, und das gefällt mir. Solange sich unsere Diskussion also nicht nur stumpf um mein neues Album dreht, freue ich mich darauf, über so ziemlich alles mit Ihnen zu reden.