Mustafa Kaplan
„Egal, wer bei mir anklopft: Ich habe keine Berührungsängste.“
Zur Person
Mustafa Kaplan (geboren 1968 in Antakya) arbeitet als Strafverteidiger und Rechtsanwalt. Nachdem kurz nach seiner Geburt erst sein Vater und später auch seine Mutter nach Deutsch-land zogen, verblieb er einige Jahre bei seinem Großvater, bis ihn seine Eltern 1976 zu sich ins Rheinland holten. Als Heranwachsender war er Mitglied in einer türkischen Jugendgang, aus der er jedoch rechtzeitig ausstieg, bevor er vollends auf die schiefe Bahn geriet. Später nahm er gegen den Willen seiner Eltern ein Jurastudium auf. Bundesweit bekannt wurde Kaplan durch seine Beteilung an dreispektakulären Gerichtsprozessen. Er vertrat den türkischen Präsidenten Erdoğan bei seiner Klage um das »Schmähgedicht« des Satirikers Jan Böhmermann, war Nebenklage-Anwalt im NSU-Prozess und verteidigte den Mann, der den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auf dessen Terrasse erschoss. Mustafa Kaplan hat zwei Kinder, lebt und arbeitet in Köln.
24. September 2022, Köln. Hinter Mustafa Kaplan baumelt ein Boxsack, eine Anschaffung aus der Zeit des Corona-Lockdowns. Doch der bekannte Strafverteidiger teilt auch beruflich aus – und muss sich umgekehrt dafür verteidigen, wenn er Menschen wie den rechtsextremen Todesschützen von Walter Lübcke oder den türkischen Präsidenten Erdoğan im Prozess gegen Böhmermann vertritt. Im Zoom-Gespräch trifft man auf einen munter gestimmten Mann, den man in seinen ausführlichen Antworten manchmal bremsen muss – und der wiederum kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn er seinen Punkt machen will.
Mustafa Kaplan, über Ihren Prozess gegen Jan Böhmermann, den Sie für Erdogan geführt haben, sagten Sie noch, dass Sie dieses Mandat nicht öffentlich ausschlachten wollen. Nun haben Sie mit Stephan Ernst erneut einen Fall mit viel Aufmerksamkeit gewählt, zudem Ihre Biografie veröffentlicht. Warum suchen Sie plötzlich den Weg in die Öffentlichkeit?
Daran ist ein Journalist des Redaktionsnetzwerk Deutschland schuld, der mich während des Erdogan-Prozesses auf der Autobahn anrief und über den Fall schreiben wollte. Seine Fragen kamen mit kürzester Vorlaufzeit, eine war unverschämter als die andere: Er habe mit meinen Rechtsanwaltskollegen aus dem NSU-Verfahren gesprochen, die mir die fachliche Kompetenz absprechen wollten, wie ich denn an das Erdogan-Mandat gekommen sei? Das war ein böses Interview, in dem der Autor jegliche Kritik meiner beruflichen Konkurrenten an mir ungefiltert übernommen hat. Das hat mich sehr geärgert, und ich habe mir geschworen: Das passiert dir nicht noch mal.
Sie wollten die Kontrolle zurückgewinnen.
Genau, ich habe die Berichterstattung als unfair empfunden. Meine Vermutung ist, dass der „RND“-Journalist mit ein, zwei Nebenklägervertretern des NSU-Verfahrens gut konnte, die sich selbst das Erdogan-Mandat gewünscht hätten. Im Grunde war es eine Auftragsarbeit, auch wenn er das selbst nie zugeben würde. Da habe ich gemerkt, dass ich meine zurückhaltende Herangehensweise nicht aufrechterhalten kann und selbst an die Leitmedien herantreten muss.