Michael Schindhelm

Michael Schindhelm

„Dubai ist nicht Siemens – Dubai ist eher ‚You Tube’.“

Autor/in
Fotos
  • Aurore Belkin / Getty Images
Leserbewertung

Zur Person

28.03.2009, Dubai. Michael Schindhelm ist der ehemalige Direktor der Berliner Opernstiftung und zum Zeitpunkt des Interviews seit einem Jahr Direktor der Dubai Culture and Arts Authority – ein Job, den er im Sommer 2009 wieder aufgab, nachdem deutlich wurde, dass geplante Kulturstätten aufgrund der Weltwirtschaftskrise nicht realisiert werden. Die Stadt am Golf ist Magnet für eine Vielzahl von Menschen aus aller Herren Länder, eine Welt, in der die Einheimischen eine Minderheit in der Gesellschaft sind. Doch die Metropole am Golf muss sich wandeln, auch und gerade in Zeiten der Finanzkrise. Die Vorgänge, kulturellen Eigenheiten und besonderen Chancen dieses Schmelztiegels erläutert Michael Schindhelm in prägnanter Weise. Häme jedoch, etwa aus Europa, findet er unangebracht.

Herr Schindhelm: Dubai ist bekannt als die glitzernde Boom-Metropole der Superlative. Ist nun in Zeiten der Krise ein zur Schau gestellter Luxus überhaupt noch en vogue?

Michael Schindhelm: Es gibt in jungen Kulturen immer einen gierigen Wunsch, den Wohlstand, den man angehäuft hat, auch zu zeigen. Dubai ist vielleicht bei der Zurschaustellung eines gewissen Lebensgefühls die ehrlichste und offenste Stadt und dabei auch rücksichtsloser und aggressiver als Europa. Seit dem Herbst 2008 hat sich das aber verändert. Selbst der Sheikh hat die Bevölkerung zur Besonnenheit und Weisheit aufgerufen, weil es in den kommenden Monaten und Jahren nicht mit demselben Tempo weitergehen wird. Es gibt ein Nachdenken darüber, worin die Errungenschaften liegen und wie die Ziele neu definiert werden müssen. Es ist doch so: Wenn Menschen aus einer extremen Schnelligkeit abgebremst werden, gibt es erst Mal einen Schock, es stellt sich die Frage: Wie geht man damit um? Jetzt werden vielleicht immaterielle Werte wichtiger.

Was müsste angesichts der weltweiten Immobilien- und Finanzkrise konkret verändert werden?

Da ist zum einen die Form, wie die Stadt geführt wird. Wir sollten Dubai als eine Art Start-Up verstehen. Die Managementformen sind jedoch seit Jahrzehnten sehr traditionell und hierarchisch. Wenn wir die Stadt mit einem Unternehmen vergleichen wollen, ist Dubai nicht ein Unternehmen wie Siemens. Dubai ist eher ‚YouTube’. Wir brauchen eine stärkere Teamarbeit und deutlich weniger Hierarchien. Dynamische, junge Unternehmen sind schnell reformierbar, weil sie jung sind und die Hierarchien flach sind. Unsere Unternehmen oder auch die öffentliche Hand in Deutschland haben gewachsene, demokratische Strukturen. Dadurch werden Entscheidungswege länger, die Prozesse komplexer. Aktionäre machen es nicht leichter, eine schnelle Anpassung vorzunehmen.

Ab hier lesen nur GALORE-Abonnenten kostenlos weiter! Eines der vielen Abo-Extras.