Michael Moore

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„Ich versuche kein Manifest aufzustellen, sondern einen guten Film zu machen.“

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07.09.2009, Venedig, Hotel Des Bains. Früher wollte Michael Moore Pfarrer werden. Und eine priesterliche Sanftmut vermittelt der Oscarprämierte Dokumentarfilmer auch bei seinem Interview. Er erkundigt sich mit aufrichtigem Interesse über die Chancen, die sein Film „Kapitalismus – eine Liebesgeschichte“ in Deutschland haben könnte, wirkt erleichtert, als er positives Feedback bekommt. Und auch in seiner Tonart schwingt ein salbungsvoller Unterton. Doch der 55-Jährige würde weniger in eine päpstliche Bürokratie als zu den Sozialrebellen der Befreiungstheologie passen. Denn seine Dokumentation ist eine bitterböse Analyse der Auswüchse unseres Wirtschaftsystems – Sozialdrama, Wirtschaftskrimi und Satire in einem. Und so freundlich sich der Filmemacher auch im Gespräch gibt, unterschwellig ist eine Wut zu spüren, die ihn zu einem formidablen Gegner machen würde. Und das liegt nicht nur an seiner massiven körperlichen Erscheinung.

Mr. Moore, In Ihrem Film „Kapitalismus – eine Liebesgeschichte“ starten Sie eine Generaloffensive auf den Kapitalismus. Mögen Sie den Sozialismus?

Michael Moore: Ich möchte hier keine Diskussion über den Sozialismus führen. Deshalb habe ich den Film nicht gemacht. Die Schlussfolgerung ‚Kapitalismus ist schlecht – deshalb brauchen wir den Sozialismus’ funktioniert so auch nicht. Der Sozialismus bekam seinen schlechten Ruf vor allem wegen der Entwicklung in Russland, was sehr bedauernswert ist. Aber heißt das, dass er an sich schlecht ist? Die gleiche Logik müsste dann auch für das Christentum gelten. Ich bin mir sicher, dass Jesus ziemlich angepisst wäre, dass die christliche Rechte seinen Namen benutzt.

Aber warum haben Sie sich dieses Thema ausgesucht?

Letztlich drehen sich alle meine Filme um das gleiche Thema: Wie unsere Rechte als Staatsbürger immer mehr eingeschränkt werden. Und daher ist auch „Kapitalismus – Eine Liebesgeschichte“ mein Beitrag zu dieser Demokratie. Wir leben in einer Gesellschaft, wo ein Prozent der Bevölkerung mehr Wohlstand besitzt als die restlichen 99 Prozent. Deshalb zeige ich den Leuten, welche Ausmaße das angenommen hat. Dass Fluglinien wie American Airlines ihren Piloten 16.000 Dollar pro Jahr bezahlen. Und das ist keine Ausnahme. Die großen Unternehmen wollen, dass alle weniger verdienen. Aber wir haben die Möglichkeit, das zu stoppen.

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