
Max Raabe
„Ich war als Kind nicht anders, als ich jetzt bin.“
Zur Person
Max Raabe (geboren am 12. Dezember 1962 in Lünen) wuchs in, wie er sagt, eher bescheidenen Verhältnissen auf. Die Familie pflege bis heute guten Zusammenhalt, mit seinem Bruder könne er im stillen Einverständnis „sehr lange sehr schweigend“ auf dem Sofa sitzen. Im Kinderkirchenchor und der Kantorei seiner westfälischen Geburtsstadt sammelt er erste Erfahrungen als Sänger; die Liebe zur Musik der 20er-Jahre entdeckt er über eine alte Schellack-Platte seiner Eltern. Mit 21 Jahren zieht er nach West-Berlin, studiert Gesang und finanziert sein Leben mit Gelegenheitsjobs. Als staatlich geprüfter Opernsänger, Bariton, gründet er 1986 während des Studiums mit Kommilitonen das Palast Orchester. Mit Liedern in der Tradition der 20er- und 30er-Jahre wie „Kein Schwein ruft mich an“ oder „Küssen kann man nicht alleine“ werden die Musiker international bekannt. Zum Repertoire gehören auch Eigenkompositionen und Coverversionen aktueller Hits. Max Raabe trägt seinen bekannten Look – Smoking, Fliege, akkurat gescheitelte Frisur – auch privat. Wenn es mal legerer sein soll, greift er zur Cordhose – auf keinen Fall zu Jeans. In Berlin trifft man ihn häufig auf dem Fahrrad an, im Sommer mit Freunden im Biergarten.
19. September 2022, Berlin. Das Wochenende war sehr schön, wie viele Wochenenden im Leben des Max Raabe. Der Sänger scheint, wie sich auch im Gespräch zeigt, ein gutes Händchen dafür zu haben, es nicht nur den anderen so angenehm wie möglich zu machen, sondern auch sich selbst. Warum auch nicht? Wenn Krise auf Krise folgt, braucht es Oasen. Heute ist Montag, die Koffer sind bereits gepackt, morgen geht es mit dem Palast Orchester auf Tour, beginnend in Hannover. Während des Telefonats sitzt der Musiker in seinem Wohnzimmer, das, wie er sagt, so eingerichtet ist, dass man sich wohlfühlt. Die Möbel seien „älter als meine Musik“, vor allem seien sie schwer, die Sessel hätten Löwenfüße. Das Interview hat den Charme einer vertrauten Plauderei an einem ausklingenden Sommerabend, die aber auch die großen Themen Liebe und Tod nicht auslässt. Bekenntnisse inklusive: Beim U-Bahn-Fahren zeigt Raabe einen ganz besonderen Spleen.
Max Raabe, Sie haben ein großes Faible für das Fahrradfahren, wie man auch im Video zu Ihrem aktuellen Song „Wer hat hier schlechte Laune“ sieht. Was kann Ihnen die Stimmung beim Fahrradfahren verhageln?
Diese, man muss sie so nennen, Vollpfosten, die es überall im Straßenverkehr gibt. Und die meinem Empfinden nach unter Radfahrern ebenso stark vertreten sind wie unter Autofahrern. Man müsste Kindern schon in der Grundschule beibringen, dass man sich in brenzligen Situationen unbedingt gegenseitig anschaut, um die Situation besser einordnen zu können, anstatt stur ins Nichts zu gucken. Oder dass man, wenn man mit dem Fahrrad abbiegt, die Fahrtrichtung anzeigt – und zwar kurz bevor man abbiegt und nicht während man bereits abbiegt. Ich wundere mich doch sehr, wie viele Fahrradfahrer eine Änderung ihrer Fahrtrichtung überhaupt nicht signalisieren. Ich weiß nicht, ob die Welt eine bessere wäre, wenn alle mit dem Fahrrad führen. Ich fürchte nicht. Aber vielleicht, und das wäre wünschenswert, gelingt uns eine friedliche Koexistenz von Fahrrad- und Autofahrern.
Wie viele platte Reifen gehören zu Ihrer Biografie als Fahrradfahrer?
Das kam früher öfter vor. Den letzten Platten habe ich selbst verursacht, weil ich den Schlauch nicht stramm genug aufgepumpt hatte. Inzwischen gibt es aber zum Glück diese Antiplatt-Reifen mit einer derart dicken Schicht, dass da kein Nagel mehr durchkommt.