Max Raabe
„Schlager sind eine zeitlose, amüsante Musikform.“
Zur Person
Max Raabe (geboren am 12. Dezember 1962 in Lünen) wuchs in, wie er sagt, eher bescheidenen Verhältnissen auf. Die Familie pflege bis heute guten Zusammenhalt, mit seinem Bruder könne er im stillen Einverständnis „sehr lange sehr schweigend“ auf dem Sofa sitzen. Im Kinderkirchenchor und der Kantorei seiner westfälischen Geburtsstadt sammelt er erste Erfahrungen als Sänger; die Liebe zur Musik der 20er-Jahre entdeckt er über eine alte Schellack-Platte seiner Eltern. Mit 21 Jahren zieht er nach West-Berlin, studiert Gesang und finanziert sein Leben mit Gelegenheitsjobs. Als staatlich geprüfter Opernsänger, Bariton, gründet er 1986 während des Studiums mit Kommilitonen das Palast Orchester. Mit Liedern in der Tradition der 20er- und 30er-Jahre wie „Kein Schwein ruft mich an“ oder „Küssen kann man nicht alleine“ werden die Musiker international bekannt. Zum Repertoire gehören auch Eigenkompositionen und Coverversionen aktueller Hits. Max Raabe trägt seinen bekannten Look – Smoking, Fliege, akkurat gescheitelte Frisur – auch privat. Wenn es mal legerer sein soll, greift er zur Cordhose – auf keinen Fall zu Jeans. In Berlin trifft man ihn häufig auf dem Fahrrad an, im Sommer mit Freunden im Biergarten.
11.02.2004, Berlin, Naturkundemuseum. Max Raabe wirkt auch jenseits der Bühne wie aus der Zeit gefallen. Stilecht in 30er-Jahre-Anzug mit passendem Mantel, Seidenschal und frisch gewichsten Lackschuhen, empfängt er vor dem Portal. Nach einem gemeinsamen Rundgang im Museum verschanzen wir uns in einem kalten Hinterraum. Mit wohl gesetzten, überdeutlich artikulierten Worten gibt Raabe einen tiefen Einblick in sein Leben und seine Leidenschaft: den Schlager der 20er-Jahre.
Herr Raabe, Sie intonieren seit über 15 Jahren sehr erfolgreich mit dem Palast Orchester die Schlager der Zwanziger und Dreißiger Jahre. Kess gefragt: Was verlief in Ihrer Kindheit anders als bei anderen Kindern?
Max Raabe: Also, ich habe die gleiche Kindheit verlebt wie mein Bruder, und der ist eigentlich ganz normal geblieben. Er hat damals auch die Bands gehört, die man so hörte – Jethro Tull, Simon & Garfunkel – und deshalb bin ich mit dieser ganzen Musik ja auch vertraut. Aber mich selbst hat das immer relativ kalt gelassen. Trotzdem war ich kein Sonderling, ich war im Turnverein, ich habe Unfug getrieben. Aber ich hatte nie ein Interesse für die Zeitströme der Musik. Ich habe eben andere Sachen gehört. Beethoven-Symphonien haben mich einfach umgehauen. Ich habe davon aber nie jemandem erzählt, ich fand das dann doch peinlich.
Das mit der Klassik begann schon sehr früh bei Ihnen, mit drei, vier Jahren. Sie traten dann in einen Kirchenchor ein.
Ja, aber nicht, weil ich besonders fromm gewesen wäre. Ich habe einfach nur gerne gesungen, und es war ja auch nett dort. Es war eben die gesellige Aufbewahrung für Jugendliche zu der Zeit.