Marjane Satrapi

Marjane Satrapi

„Je weniger die Leute wissen, desto überzeugter sind sie.“

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  • Stéphane Roche
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Zur Person

29. Januar 2021. Anfang der 2000er erzählte Marjane Satrapi in ihrem Millionen-Bestseller „Persepolis“ von ihrer Kindheit und Jugend zur Zeit der Mullahs. Anlässlich dessen 20-jährigen Jubiläums sind wir per Videochat für ein Interview verabredet. Als die Verbindung nach Paris steht, ist von der Illustratorin jedoch nichts zu sehen. Stattdessen ein überdimensional großes Filmplakat von Sophia Loren in »Die Frau vom Fluss«. Ein dezenter Hinweis, dass Satrapi sich längst dem Medium Film zugewandt hat. „Sie haben dreißig Minuten“, eröffnet sie mit kräftiger Stimme das Gespräch. Dreißig Minuten, in denen sie sich dankbar erinnert, aber auch in Rage redet.

Marjane Satrapi, was hat Sie damals dazu bewegt, „Persepolis“ zu machen?

Als ich Mitte der Neunziger nach Frankreich kam, wussten die Leute natürlich nichts von mir und meiner Jugend in Österreich. Es herrschte insgesamt viel Unwissenheit über den Iran. Also erzählte ich immer und immer wieder meine Geschichte. Irgendwann dachte ich: Marjane, vielleicht solltest du daraus etwas machen, und wenn es nur dabei hilft, dass du dich nicht ständig wiederholen musst. Also begann ich, an diesem Comic zu arbeiten, immer in dem Glauben, dass ihn sowieso niemand veröffentlichen würde. Als ich dann doch einen Verlag fand, war ich felsenfest davon überzeugt, dass niemand mein Werk lesen würde. Der große Erfolg von „Persepolis“ hat mich damals sehr überrascht und tut es bis heute.

Über vier Millionen verkaufte Exemplare weltweit sind für einen Comic wirklich ungewöhnlich. Wieso haben Sie sich damals für diese Erzählform entschieden? Sie hätten ja auch ein Buch schreiben können.

Meiner Erfahrung nach wiegt das Bild schwerer als die Schrift. Wenn ich ein Buch darüber geschrieben hätte, dass wir eine ganz normale Familie waren, meine Mutter nie ein Kopftuch getragen und mein Vater keine 55 Nebenfrauen gehabt hat, hätte das wahrscheinlich nur bei wenigen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Menschen haben oftmals festgefahrene Vorstellungen und Überzeugungen. Man sagt ihnen das eine, sie stellen sich dann aber möglicherweise etwas völlig anderes vor. Ich wollte zeigen, wie es wirklich war.

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