Marianne Faithfull

Marianne Faithfull

„Ich werde eine Titanin sein!“

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  • Yann Orhan
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Zur Person

26. November 2018, Paris. Sirenenlärm dringt durch das geöffnete Fenster ihrer Wohnung im noblen 6. Arrondissement. Auf dem Tisch eine Vase mit blassblauen, getrockneten Hortensien, ein Stapel Briefe, Bücher. An der Wand eine gerahmte Collage mit Zeitungsausschnitten aus einer Zeit, in der Marianne Faithfull das Mädchen mit dem Fellteppich war. Die Gastgeberin stützt sich auf ihren Stock, sehr britisch, in weiten Pyjamahosen und Morgenrock. Die linke Hand in Gips, die Schultern zerstört von rheumatoider Arthritis. Eigentlich müsste sie ins Krankenhaus, sofort, sagt sie. Stattdessen dankt sie für das Präsent aus Berlin, eine Sissi-Torte. Schließlich besitzt sie österreichische Wurzeln.

Oh, helfen Sie mir beim Öffnen Ihres Geschenks? Danke, Darling! Hmmm, wundervoll, ich darf da eigentlich gar nicht hinsehen. Aber glauben Sie nicht, dass Sie wegen dieses wundervollen Präsents auch nur eine Minute länger bekommen! (lacht)

Na, dann legen wir mal los. Mrs. Faithfull, ärgert es Sie eigentlich, dass Ihr neues Album „Negative Capability“ mit den letzten Alben von Johnny Cash oder Leonard Cohen verglichen wird?

Ein bisschen, ja. Obwohl es auf gewisse Weise natürlich ein großes Kompliment ist. Nur: Cash und Cohen sind tot. Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich lebe. Also, nein, meine Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen.

Diese Alben waren offensichtliche Vermächtnisse.

Ja, und der Vergleich klingt ein bisschen wie: Jetzt hat sie diese Platte gemacht, jetzt wird sie sterben. Sterben werde ich nicht so schnell, gewiss nicht. Das große Ding, das mir bevorsteht, sind diese zwei Operationen, beide Schultern und der Arm. Aber das sind keine Eingriffe, bei denen es um Leben und Tod geht. Das kann unangenehm und schmerzhaft sein, aber es ist rein mechanisch. (überlegt) Ich werde eine Frau aus Titanium sein, eine Titanin!

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