Marianne Faithfull
„Ich werde eine Titanin sein!“
Zur Person
Marianne Faithfull (geboren am 29.12.1946 im Londoner Stadtteil Hampstead) ist die Tochter von Eva Hermine von Sacher-Masoch, Baronin Erisso. Somit fließt in ihr ungarisch- österreichisches Adelsblut. Als Mädchen sang sie Folksongs in Londoner Teehäusern, mit 17 war sie auf einer Party der Rolling Stones zu Gast, wo sie dem Manager der Band auffiel. Die Stones schrieben für sie „As Time Goes By“, ihren ersten Hit. Es folgten wilde Jahre als Frau des Künstlers John Dunbar, Geliebte von Mick Jagger und Keith Richards. Sie wurde heroinabhängig und magersüchtig, die 70er-Jahre verbrachte sie zeitweise obdachlos. 1979 gelang ihr mit dem Album „Broken English“ ein Comeback. 2007 überzeugte sie als Schauspielerin im Film „Irina Palm“. Seit einigen Jahren lebt sie in Paris.
26. November 2018, Paris. Sirenenlärm dringt durch das geöffnete Fenster ihrer Wohnung im noblen 6. Arrondissement. Auf dem Tisch eine Vase mit blassblauen, getrockneten Hortensien, ein Stapel Briefe, Bücher. An der Wand eine gerahmte Collage mit Zeitungsausschnitten aus einer Zeit, in der Marianne Faithfull das Mädchen mit dem Fellteppich war. Die Gastgeberin stützt sich auf ihren Stock, sehr britisch, in weiten Pyjamahosen und Morgenrock. Die linke Hand in Gips, die Schultern zerstört von rheumatoider Arthritis. Eigentlich müsste sie ins Krankenhaus, sofort, sagt sie. Stattdessen dankt sie für das Präsent aus Berlin, eine Sissi-Torte. Schließlich besitzt sie österreichische Wurzeln.
Oh, helfen Sie mir beim Öffnen Ihres Geschenks? Danke, Darling! Hmmm, wundervoll, ich darf da eigentlich gar nicht hinsehen. Aber glauben Sie nicht, dass Sie wegen dieses wundervollen Präsents auch nur eine Minute länger bekommen! (lacht)
Na, dann legen wir mal los. Mrs. Faithfull, ärgert es Sie eigentlich, dass Ihr neues Album „Negative Capability“ mit den letzten Alben von Johnny Cash oder Leonard Cohen verglichen wird?
Ein bisschen, ja. Obwohl es auf gewisse Weise natürlich ein großes Kompliment ist. Nur: Cash und Cohen sind tot. Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich lebe. Also, nein, meine Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen.
Diese Alben waren offensichtliche Vermächtnisse.
Ja, und der Vergleich klingt ein bisschen wie: Jetzt hat sie diese Platte gemacht, jetzt wird sie sterben. Sterben werde ich nicht so schnell, gewiss nicht. Das große Ding, das mir bevorsteht, sind diese zwei Operationen, beide Schultern und der Arm. Aber das sind keine Eingriffe, bei denen es um Leben und Tod geht. Das kann unangenehm und schmerzhaft sein, aber es ist rein mechanisch. (überlegt) Ich werde eine Frau aus Titanium sein, eine Titanin!