Margot Käßmann
„Man soll alles verzeihen, aber nichts vergessen.“
Zur Person
Margot Käßmann (geboren am 3. Juni 1958 in Marburg) studierte Theologie in Tübingen, Edinburgh, Göttingen und Marburg und wurde 1985 zur Pfarrerin ordiniert. Nach ihrer Promotion stieg sie in den 90er-Jahren in der Evangelischen Kirche auf. Sie wurde Beauftragte für den kirchlichen Entwicklungsdienst der EKD, Generalsekretärin der EKD und Landesbischöfin in Hannover. 2007 machte sie das Scheitern ihrer Ehe öffentlich. Von 2009 bis 2010 war sie Vorsitzende des Rates der EKD. Von diesem Amt und als Bischöfin trat Käßmann wegen einer öffentlich gewordenen Trunkenheitsfahrt 2010 zurück. Seitdem war sie als Dozentin, Publizistin, Lutherbotschafterin und streitbare Vertreterin einer christlich-pazifi stischen Linie tätig. Eine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten lehnte sie ab, Sigmar Gabriel hatte sie 2016 dafür vorgeschlagen. Am 15. Mai 2018 zog sie sich aus dem Berufsleben zurück, Käßmann lebt in Hannover und auf Usedom.
01.09.2014, Berlin. Margot Käßmann mag man - je nach Geschmack - als einen gewitzten oder sehr idealistischen Menschen beschreiben. Wahrscheinlich stimmt ein wenig von beidem. Dass sie mit ihren konsequent pazifistischen Positionen, die sie immer wieder öffentlichkeitswirksam vertritt, polarisiert, ist ihr natürlich klar. Trotzdem hat man während des Gesprächs das Gefühl, mit einer Frau zu reden, die von den heftigen Angriffen auf sie überrascht ist. Die innerkirchlichen Intrigen, die mit zu ihrem Rücktritt beitrugen, ihre überstandene Brustkrebserkrankung, die Scheidung von ihrem Mann, haben Käßmann weder verbittert, noch von ihrem Glauben abgebracht, sicherlich aber widerstandsfähiger gemacht.
Frau Käßmann, wann waren Sie zuletzt gnädig?
Margot Käßmann: Gnade ist für eine Theologin ja ein sehr positiver Begriff. Aber gnädig sein klingt im deutschen Sprachgebrauch so herablassend. Eigentlich ist damit ja gemeint, dass Du jemandem etwas nachsiehst, was Dich verletzt hat, oder was Du für einen Fehler hältst. Das ist nicht so einfach.
Wann waren Sie zuletzt nachsichtig?
Mit meinen Töchtern bin ich immer nachsichtig. Mit Menschen, die mich kritisieren, nachsichtig zu sein, das dauert bei mir drei Tage.