Marcus Bensmann
„Journalismus und Demokratie gehören zusammen.“
Zur Person
Marcus Bensmann, Jahrgang 1969, arbeitet als Investigativjournalist für das Recherchenetzwerk CORRECTIV. Bekannt wurde er für seine Augenzeugenberichte über die Unruhen in Usbekistan 2005. Er bereiste intensiv die Staaten Zentralasiens und verfolgte von seiner Basis in Bischkek aus die tagespolitischen Ereignisse. Aufgrund seiner Berichterstattung wurde er anschließend wegen „informeller Unterstützung des Terrorismus“ angeklagt und gezwungen, das Land zu verlassen. Bensmanns Reportagen erschienen unter anderem in Geo, Stern und Le Monde Diplomatique. Seit 2014 recherchiert er als Senior Reporter für CORRECTIV zur Neuen Rechten, zu russischer Einflussnahme, klerikalem Missbrauch und Korruption. Seit 2016 arbeitet er mit besonderem Fokus auf die AfD, deren Finanzierung, Machtkämpfe und Verstrickungen ins völkische Lager. 2017 erschien sein „Schwarzbuch AfD“.
15. Juli 2024, Berlin. Marcus Bensmann hat als Treffpunkt das frisch eröffnete Medienhaus Publix in Berlin-Neukölln vorgeschlagen. Der großgewachsene freundliche Rheinländer entspricht nicht unbedingt dem Bild eines Investigativjournalisten, das man im Kopf hat, wenn man an den Film „Die Unbestechlichen“ von 1987 denkt. Als Mitglied von CORRECTIV war Bensmann entscheidend an der Recherche über ein Treffen von Rechtsextremen bei Potsdam beteiligt, an dem auch AfD-Angehörige und Mitglieder der WerteUnion teilgenommen haben. Über die Pläne der AfD hat er nun ein spannendes Buch geschrieben, das wir zum Anlass für unser Interview nehmen. Der Titel? „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“. Genauso spannend wird es im Laufe des Gesprächs, wenn es um Bensmanns eigene Geschichte als Reporter geht.
Marcus Bensmann, beginnen wir mit einer Rückblende. Es ist Winter 2024, CORRECTIV hat mit der Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ aufgedeckt, dass Rechtsextreme und hochrangige AfD-Leute gerne massenhaft Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland vertreiben wollen. Millionen gehen daraufhin demonstrierend auf die Straße. Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Mit einem amerikanischen Fotografen und guten Freund zusammen habe ich viele Reportagen produziert, als ich noch aus Afghanistan, Iran und Irak berichtet habe. Der hat damals gesagt: „Das Schöne am Journalismus ist, dass man hin und wieder die Möglichkeit hat, Menschen mit seiner Geschichte zu bewegen. Das passiert aber äußerst selten, so gut wie nie. Doch allein dass die Möglichkeit besteht, macht diesen Beruf so wunderbar.“ An diesen Freund musste ich in der Zeit oft denken. Als wir die Recherche geschrieben haben, war uns die Brisanz natürlich klar. Dieser Satz „Remigration nicht assimilierter Staatsbürger mit maßgeschneiderten Gesetzen und Anpassungsdruck als Jahrzehnteprojekt“ – der rüttelt an Grundfesten. Zumal die AfD auf ihrer Webseite behauptet hat, für sie gäbe es keine Staatsbürger erster, zweiter oder dritter Klasse. Wir dachten also: Na gut, damit werden wir es schon in die Tagesschau schaffen …
Werden Sie noch immer auf diese Recherche angesprochen?
Ja, ich merke das an Gesprächen oder bei Veranstaltungen, die Geschichte bewegt die Menschen nach wie vor. Ich glaube, sie hat einen Moment getroffen. Vor allem hat sie deutlich gemacht, dass die AfD eben keine Protestpartei ist, die man wählt, weil man mit der Ampelregierung unzufrieden ist oder das Vorhaben zur Wärmepumpe blöd findet. Sondern dass es schwerwiegende Konsequenzen hätte, wenn die AfD Macht bekäme. Völkische Ideologen ziehen in der Partei die Strippen und wollen Menschen vertreiben. Und das betrifft eben nicht nur ein paar wenige, das wäre ein brachialer Eingriff in unser Zusammenleben – mit einer willkürlichen Definitionsmacht, was das Eigene ist und was das Fremde.