
Manfred Spitzer
„Natur darf nicht zum nächsten Konsumgut verkommen.“
Zur Person
Manfred Spitzer (geboren am 27. Mai 1958) wuchs als mittleres von fünf Kindern in der Nähe von Darmstadt auf, heute hat er selbst sechs Kinder. Er studierte in Freiburg die Fächer Medizin, Psychologie und Philosophie, schloss mit zwei Doktortiteln und einem Diplom ab. 1998 übernahm er als damals jüngster Psychiatrie-Professor Deutschlands die Leitung der neu gegründeten psychiatrischen Uniklinik in Ulm, der mit 30 Betten kleinsten Psychiatrie Deutschlands, die seither auf 68 Betten anwuchs und nur noch die zweit- oder drittkleinste ist. Der Psychiater gehört heute nicht nur zu den wichtigsten Forschern der Universität Ulm, sondern ist einer der bedeutendsten deutschen Gehirnforscher. 2004 bis 2013 moderierte er die wöchentliche Reihe „Geist & Gehirn“ auf Bayern Alpha. Zu seinen zahlreichen Buchveröffentlichungen zählen die Bestseller „Vorsicht Bildschirm!“, „Einsamkeit – die unerkannte Krankheit“ sowie „Digitale Demenz“.
03. November 2020, Ulm. „Ach, Herr Spitzer, Sie leiten auch noch eine Klinik?“ Manfred Spitzer lacht, als er die Frage zitiert, die ihm oft gestellt wird. Die meisten Menschen glauben, er würde „nur“ Bücher schreiben und Vorträge halten. Als ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm hat er nicht selten einen 14-Stunden-Tag. So auch heute. Wir erreichen ihn nach einer Chefarztvisite und vor einer Fakultätssitzung. Er sitzt in seinem Büro. Leider ohne Blick ins Grüne, wie er sagt. So selbstverständlich, wie er mit Natur aufgewachsen ist, würde er es jedem Kind wünschen. Die Natur ist sein Leib- und Magenthema. Ein Buch ist geplant, der Erscheinungstermin musste verschoben werden. Woran es liegt? „Am Autor“, bekennt Spitzer. Auch er sei nur „begrenzt leistungsfähig“. Man müsse wissen, sagt er lachend: „Ich leite ja auch noch eine Klinik.“
Herr Spitzer, in Ihrer Vita findet sich der Verweis, dass sie zeitweise Straßenmusiker waren. Wie kam es dazu?
Nicht anders als bei den meisten Straßenmusikern. Ich war Student, und immer, wenn ich knapp bei Kasse war, habe ich am Marktplatz in Freiburg musiziert. Das hat für ein paar Mark mehr gereicht. Mehr zu verdienen gab es, wenn ich mit der Band, in der ich gespielt habe, bei Hochzeiten und anderen Festen aufgetreten bin. Musik zu machen ist eine Leidenschaft. Ich bin immer noch in einer Band, wir sind drei Mann, kurz bevor das mit Corona losging, sind wir noch aufgetreten: Folk, Rock, Pop, Jazz – im Grunde die gleiche Musik, wie ich sie vor 50 Jahren gespielt habe. Ich habe Musik gemacht, seit ich denken kann, ohne formalen Musikunterricht. Wir Kinder haben am Sonntag, ein anderer Tag blieb ja gar nicht übrig, stundenlang geübt. Einfach so, weil es uns Freude gemacht hat. Ich habe erst Schlagzeug gespielt, später hat mir meine Schwester das Gitarrenspiel beigebracht.
Was für ein Kind waren Sie?
Ein überneugieriges. So bin ich noch immer. Ich habe viel gefragt, wollte immer wissen und die Hintergründe verstehen. Ich bin das dritte von fünf Kindern – und seit meiner Geburt das anstrengendste von allen, weil ich nie Ruhe geben konnte. Sobald ich eine Frage gestellt hatte, kam schon die nächste. Wenn mich Fernsehen interessiert hat, dann nur in Bezug auf meine eigene Wissenserweiterung. Die Sendungen von Heinz Haber und Hoimar von Ditfurth beispielsweise, ganz groß. Im Sommer bin ich sogar vom Schwimmbad eine halbe Stunde nach Hause geradelt, habe mir den Professor im Fernsehen angeschaut und bin dann wieder zurückgefahren, das waren jeweils fünf Kilometer. Für meine Freunde war das nicht nachvollziehbar. Die haben nur den Kopf geschüttelt.