Klaus Stuttmann
„Leider haben auch viele Linke sehr wenig Humor.“
Zur Person
Klaus Stuttmann, Jahrgang 1949, ist in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart aufgewachsen. In Tübingen studierte er vier Semester Kunstgeschichte, ehe er 1970 nach Berlin zog, wo er mit Freunden in einer Abrisswohnung eine eigene Kommune gründete. Nach seiner Magisterarbeit an TU Berlin entschied er sich gegen eine weitere theoretische Beschäftigung mit Kunstgeschichte und für die praktische Arbeit als Zeichner unter anderem von Karikaturen. Vorerst konnte er die jedoch nur bei der linken Zeitung „Die Wahrheit“, Organ der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins, veröffentlichen. Weil die von Ostberlin finanziert wurde und die Wende nicht überlebte, versuchte Klaus Stuttmann einen Neustart, unter anderem bei der taz. Heute gehört Stuttmann, Kürzel ks, zu den profiliertesten Karikaturisten des Landes. Er selbst schätzt die Anzahl seiner Zeichnungen auf 10-15.000. Für seine unter anderem auch im Tagesspiegel, Freitag und Leipziger Volkszeitung erscheinenden politischen Tageskarikaturen erhielt er etliche Auszeichnungen, beispielsweise 1997 den Ersten Preis des „Deutschen Preises für politische Karikatur“ und 2010 Premio Satira Politica – Forte dei Marmi (Italien). Sein Bildband „Frisch verwählt - Politische Karikaturen 2013“ ist im Schaltzeit Verlag erschienen.
20.09.2012, Berlin. Klaus Stuttmann ist gerade umgezogen in eine große Wohnung mit Blick auf den ehemaligen Flughafen Tempelhof. Den sieht einer der besten politischen Karikaturisten Deutschland auch durchs Fenster, wenn er beim Arbeiten am Computer-Zeichentablett hoch schaut. Das Gespräch mit dem grauhaarigen, ruhigen Schwaben findet freilich am großen Tisch in der Küche statt.
Herr Stuttmann, Karikaturist scheint momentan einer der aufregendsten Berufe zu sein.
Klaus Stuttmann: Wegen der Mohammed-Karikaturen? Na ja, eigentlich hatte ich gedacht, dass sich die Sache wieder beruhigt hätte, nach dem Wirbel, den es nach der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung „Jyllands Posten“ 2005 gab. Bis zu dem Zeitpunkt war es tatsächlich so, dass wir Karikaturisten fast schon annahmen, man ignoriert uns völlig. Selbst die Kirche hatte die Spitzen gegen sich kaum beachtet. Nach dem Aufruhr über die Mohammed-Karikaturen änderte sich das jedoch. Auch die Katholische Kirche sprach fortan bei jeder kleinen Zeichnung gegen sie von Gotteslästerung. Der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber wollte sogar einen neuen Paragraphen gegen Gotteslästerung einführen. An dem Punkt trafen sich plötzlich die Fundamentalisten auf islamischer und katholischer Seite.
Ihre Zunft scheint generell wieder stärker ins Visier der Mächtigen geraten. In Spanien wurden zwei Zeichner zu hohen Geldstrafen verurteilt, weil sie das Königspaar nackt gezeichnet hatten. Ganz zu schweigen vom syrischen Kollegen, der 2011 schwer verprügelt wurde.
In manchen Gegenden ist es tatsächlich lebensgefährlich. Ich hatte vor Jahren eine Ausstellung in Serbien. Parallel dazu gab es auch eine von serbischen Zeichnern, die ich, ehrlich gesagt, etwas langweilig fand. Die Karikaturen handelten alle ziemlich allgemein von Krieg und Frieden. Als ich die Kollegen fragte, warum sie nicht schärfer und tagespolitischer wären, gaben sie mir zu verstehen, dass sie sich das nicht erlauben könnten. Dann stünde am nächsten Morgen eine Schlägertruppe vor ihrer Tür. Da wurde mir doch klar, dass unser Beruf in manchen Gegenden der Welt sehr unterschiedlich bewertet wird. Hierzulande haben wir doch weitgehend Narrenfreiheit. Wenn bei uns von Zensur die Rede ist, handelt es sich um ein Klagen auf hohem Niveau.