Julie von Bismarck

Julie von Bismarck

„Wir überschritten eine Grenze nach der anderen.“

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  • Jens Umbach
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Zur Person

05. September 2019, Lübeck. Das Lübecker Burgtor erzählt von früheren Glanzzeiten der Stadt. Dahinter, im Burghof, liegt ein kleines Café. Julie von Bismarck ist entspannt, lächelt viel. Dass am Nebentisch drei junge Mütter mit ihren Kindern um die Wette strahlen, wäre für sie vor einiger Zeit ein Problem gewesen: Nach einer Fehlgeburt wollte Julie von Bismarck unbedingt noch einmal schwanger werden. Es begann eine sieben Jahre lange Leidenszeit, die Gesundheit, Ehe und Konto extrem belastete – aber ein glückliches Ende fand. Im Gespräch erzählt sie offen, was sie sich und ihrer Beziehung angetan hat – und was sich in der Kinderwunsch-Industrie unbedingt ändern sollte.

Frau von Bismarck, Sie wollten ein Kind – und haben eine sieben Jahre lange Odyssee hinter sich. Sie haben dabei Ihrem Körper so sehr geschadet, dass Sie oft nicht arbeiten konnten. Sie haben die meisten Ihrer Freunde verloren und viele Tausend Euro in Kinderwunsch-Behandlungen gesteckt. Wie konnte es so weit kommen?

Mir war einfach klar, dass ich in meinem Leben unbedingt Mutter werden möchte. Ich war schon einmal schwanger gewesen, ganz schnell, nachdem mein Mann und ich die Verhütung abgesetzt hatten. Ich hatte das Kind leider verloren, aber das änderte nichts an meiner absoluten Gewissheit, dass mein Kind auf die Welt kommen muss. Der Wunsch nach einem eigenen Kind ist nicht vergleichbar mit anderen Wünschen, man wünscht sich ja keine Handtasche oder eine Reise nach Bali – es handelt sich um eine absolute Lebensentscheidung. Ich kann sehr hartnäckig kämpfen, und mit jedem negativen Schwangerschaftstest wurde der Wunsch größer. Hinzu kam, dass die Ärzte immer wieder erklärten: „Es ist kein Problem, wir kriegen Sie schwanger, Sie müssen nur Geduld haben.“

Nach Ihrer Fehlgeburt litten Sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Ja, und ich weiß, dass viele Menschen das für unverhältnismäßig halten. Aber ich habe dieses ungeborene Kind vom ersten Herzschlag an so geliebt, als sei es schon da. Den Gedanken, dass es nicht überleben könnte, gab es für mich nicht. Ich konnte nichts mit dem Ratschlag anfangen, man solle sich in den ersten Monaten einer Schwangerschaft besser noch nicht so sehr mit dem Baby im Bauch verbinden, damit es nicht so schlimm ist, falls man es verlieren sollte. Als das Kind dann plötzlich tot war, war das für mich ein Schock und dass der Tod des Kindes während einer Routine-Untersuchung festgestellt wurde und nicht einfach Blutungen einsetzten, trug sicher noch seinen Teil dazu bei. Wir hatten uns darauf gefreut, unser Baby während der Ultraschalluntersuchung wiederzusehen – und dann war da auf einmal kein Herzschlag mehr. Es zerriss mir das Herz, das tote Kind auf dem Bildschirm zu sehen. Der Wunsch, ein Kind zu bekommen, wurde durch dieses Erlebnis noch stärker, denn das konnte nicht einfach das Ende gewesen sein.

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